Das große Entspannungsexperiment

Das große Entspannungsexperiment

8 Wochen, 8 verschiedene Entspannungsmethoden – das war das große Entspannungsexperiment, das ich mit meiner Discord-Community durchgeführt habe. Das Ziel: Herauszufinden, ob es vielleicht doch eine Methode gibt, die funktioniert. Weder Meditation noch Autogenes Training haben es übrigens in dieses Experiment geschafft. Dafür wirklich abgefahrene Techniken, von denen ich noch nie gehört hatte – und du ganz sicher auch nicht.

Kannst du dich entspannen? Achtung: nicht mit Erholung verwechseln. Ich meine nicht, neue Energie tanken, sondern loslassen, ausruhen, abschalten. Kannst du das?

Für mich ist das echte Schwerstarbeit. Mein Kopf gibt quasi nie Ruhe und mein Körper ist ständig angespannt. Selbst wenn ich ruhig auf der Couch sitze, beiße ich entweder die Zähne zusammen oder spanne die Muskeln in einem Arm oder einem Bein an (wirklich immer nur in einem – total schräg).

Die ständige Anspannung und Unruhe verstärken meine Dauerkopfschmerzen und verschlechtern meinen Schlaf. Also habe ich beschlossen, Entspannungsmethoden zu testen – neue, von denen ich bisher noch nie gehört hatte, aber auch alte, die ich schon mal verworfen hatte. Manchmal sind die Dinge nämlich gar nicht schlecht, es war nur einfach nicht ihre Zeit. Oder wir müssen sie minimal modifizieren, damit sie für uns funktionieren.

Erkenntnisse aus dem Entspannungsexperiment

Ich zeige dir gleich alle 8 Methoden, die wir ausprobiert haben. Aber vorher meine zwei wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Experiment:

  1. Entspannung funktioniert für mich vor allem, wenn ich mich auf die körperliche Ebene konzentriere. Meinen Kopf zur Ruhe zu bekommen, ist schwer. Das gelang immer nur dann, wenn ich viel Konzentration für den Körper aufbringen musste.
  2. Geführte Anleitungen sind mir in der Regel viel zu langsam. Ich suche deshalb gezielt nach kurzen, schnellen Varianten oder erhöhe die Sprechgeschwindigkeit.

Übrigens gilt auch hier wieder: Jeder ist anders. Das haben wir in der Community festgestellt. Methoden, die ich ganz toll fand, fanden andere furchtbar und umgedreht. Sieh die folgende Liste also gern als Inspiration und probier aus, was für dich funktioniert.

Methoden im Entspannungsexperiment

Wir haben jeder Methode ein Woche spendiert. Anfangs habe ich noch jeden Tag ein bisschen Zeit investiert, am Ende des Experiments war aber die Luft raus und ich habe die letzten Methoden nur noch alle paar Tage getestet. Deshalb sind auch meine Notizen dazu unterschiedlich lang. Übrigens, Autogenes Training und Meditation standen ursprünglich auch auf der Liste der zu testenden Methoden. Einfach, weil ich wissen wollten, ob es Varianten davon gibt, die für mich funktionieren. Mit Meditation werde ich mich in dieser Beziehung auch noch mal beschäftigen. Autogenes Training ist aber raus. Dazu habe ich recherchiert und dabei gelernt, dass man das anfangs mindestens 3x täglich üben soll, damit es langfristig funktioniert. So viel Geduld und Disziplin habe ich nicht.

Toe Tapping

In der ersten Woche des Experiment starteten wir mit Toe Tapping. Und bevor du das googelst: Nein, gemeint ist weder die Sache aus dem Fußball noch die Balanceübung für Senioren :-D.

Toe Tapping kommt offenbar aus der fernöstlichen Medizin/Philosophie und soll helfen, besser zu schlafen, Verspannungen zu lösen, das Nervensystem zu beruhigen, Ängsten entgegen zu wirken und – Achtung! – die Geräuschkulisse im Kopf zu dimmen.

Dafür legst du dich auf den Rücken, Arme seitlich neben dich mit den Handflächen nach oben, Füße etwa hüftbreit auseinander und leicht angewinkelt. Dann bewegst du deine Beine so, dass deine großen Zehen aneinander schlagen. Wichtig ist dabei, dass du nicht nur die Füße wie Scheibenwischer nach innen und außen bewegst, sondern das ganze Bein. Tief und ruhig atmen verstärkt den Effekt. Du kannst das 5 bis 10 Minuten am Stück machen oder 5 bis 10 Mal je eine Minute mit je einer kleinen Pause dazwischen. Wie schnell du die Zehen aneinander schlägst, ist übrigens völlig egal. Am Ende solltest du ein Kribbeln in den Beinen und dich insgesamt entspannt und erholt fühlen.

Meine Erfahrung

Mein Plan lautete: Jeden Tag 5 Minuten am Stück – am besten, aber nicht zwingend vor dem Schlafen.

Anfangs habe ich tagsüber immer mal wieder ToeTapping gemacht und festgestellt: Wenn ich das kurz zwischendrin mache, hilft es mir, mein Hirn zu resetten und wieder leistungsfähiger zu sein (daran ist vermutlich eher die Pause vom Arbeiten Schuld als das Toe Tapping, aber egal). Ich kann mich tagsüber aber nicht dazu bringen, mich einfach nur auf die Übung zu konzentrieren, sondern hab dabei immer gelesen oder am Handy gescrollt.

Dann habe ich es unmittelbar vorm Schlafen, schon im Dunkeln im Bett, 5 Minuten am Stück getestet. Zuerst dachte ich, das wäre die dümmste Idee aller Zeiten, weil ich mich durch die recht heftige Bewegung erstmal wieder “aufgeputscht” fühlte. Das hat sich aber sehr schnell gelegt und dann war die repetitive Bewegung genau das richtige, um runterzukommen. Ich bin danach sofort eingeschlafen. Nach dem Toe Tapping spürte ich ein heftiges Kribbeln und ein Hitzegefühl, aber nicht an den Füßen, sondern eher um die Knie herum und bis in die Oberschenkel. Das fühlte sich gut an. Und ich bilde mir ein, dass die Übung die Verspannung in meinem unteren Rücken ein bisschen lockerte.

Ich finde Toe Tapping eine gute Methode, mich körperlich zu entspannen. Ich scheine damit tatsächlich internalisierte Energie abbauen und leichte Verspannungen loswerden zu können. Aber es hilft mir so gut wie gar nicht, den Kopf abzuschalten. Schade.

Yoga Nidra

Yoga Nidra bedeutet „Yoga Schlaf“. Es ist eine Übung oder vielmehr eine Reihe von Übungen, die in 30 Minuten den gleichen Erholungseffekt bieten soll wie 2 bis 4 Stunden Schlaf. Es gibt tatsächlich Studien, die nahelegen, dass der Dopaminspiegel mit Yoga Nidra steigt und zugleich Gedächtnis, Konzentration und Schlaf (vor allem Tiefschlaf) verbessert werden. Auch Stressresilienz und die Verarbeitung von Emotionen soll positiv beeinflusst werden.

Der Haken an der Geschichte: Man braucht Zeit. Empfohlen werden 30 bis 60 Minuten pro Einheit. Ich hatte uns für das Experiment zwei kürzere Anleitungen auf Spotify rausgesucht – zum einen, weil ich persönlich nicht so schnell abgleite, wenn die Anleitung etwas schneller ist. Zum anderen, weil ich die Hürde für eine Woche Challenge zu hoch fand, wenn ich gleich jeden Tag 60 Minuten investieren soll.

Darüber hinaus brauchst du eine ruhige, ablenkungsfreie Umgebung, wo du bequem auf dem Rücken liegen und dich ggf. zudecken kann. Und du brauchst – zumindest für den Anfang eine Anleitung.

Yoga Nidra besteht aus immer denselben Phasen, auch wenn jeder Trainer die offenbar ein bisschen anders umsetzt:

  1. Einleitung: Ankommen, runterfahren, atmen
  2. Sankalpa: persönlicher Vorsatz für die Session in einem positiven kurzen Satz im Präsens formulieren
  3. Antar Mouna: Atementspannung
  4. Nyasa: Body Scan und Gegensatzpaare von Wahrnehmungen (schwer – leicht, rechts – links, warm – kalt)
  5. Chidakasha: Visualisierung
  6. Wiederholung Sanskalpa
  7. Rückführung in die Realität

Meine Erfahrung

So, erster Tag mit Yoga Nidra. Angeblich soll das so erholend sein wie 2 Stunden Schlaf. Das wäre heute die optimale Lösung gewesen, denn der echte Schlaf hat mich mal wieder im Stich gelassen. Also habe ich in meiner Mittagspause die erste, kürzere der beiden Anleitungen gehört. Was soll ich sagen: Ich bin immer noch müde :-D. Aber: Ich bin tatsächlich sehr schnell in diesen halb-wach-halb-schlafend-Zustand gekommen, den man damit erreichen soll. Schwierig finde ich es, dabei wirklich aufmerksam zu bleiben und weder abzuschweifen noch einzuschlafen. Das wird Übung brauchen.

Aber ich mag die Art, wie hier ein Bodyscan gemacht wird. Damit kann mein Hirn sehr gut arbeiten. Die Visualisierungen, auf die ich mich besonders gefreut habe, waren dagegen unerwartet schwierig. Hier bin ich immer wieder abgeschweift, weil die angesagten Bilder plötzlich Assoziationen auslösten und meine Gedanken losliefen. Und gleichzeitig bin ich an dieser Stelle fast eingeschlafen.

Am nächsten Tag hatte mich (mal wieder) eine Migräneattacke ausgeknockt und weil in dem Erfahrungsbericht, den ich gelesen hatte, davon die Rede war, dass Yoga Nidra auch gegen Migräne helfe, habe ich an diesem Tag die lange Version gemacht. Und war enttäuscht. Die ist gar nichts für mich. Viel zu langsam, viel zu viel Zeit zwischen den Ansagen. Mein Kopf ist ständig abgeschweift. Aber ich fühle mich nach den Sessions tatsächlich ausgeruhter. Vielleicht ist Yoga Nidra wirkliche eine Entspannungsübung, die für mich funktionieren könnte. Und ich will das tagsüber machen, weil es mir wirklich hilft, Energietiefs auszugleichen, ohne schlafen zu müssen.

An einem anderen Tag habe ich Yoga Nidra eingeschoben, als ich so müde war, dass ich im Sitzen hätte einschlafen können. Hab von der 20-minütigen Yoga-Nidra-Einheit, die ich deshalb gemacht habe, auch nur immer wieder Bruchstücke mitbekommen, weil ich die meiste Zeit im La-La-Land zwischen schlafen und wachen war. Danach fühlte ich mich natürlich immer noch nicht, als hätte ich endlich mal wieder gut geschlafen. Aber doch deutlich besser und energiegeladener als vorher.

Tai Chi

Nach zwei Wochen mit Entspannungstechniken im Liegen habe ich für nächste Woche eine bewegte Entspannungsmethode ausgesucht: Tai Chi. Ich muss aber zugeben, dass ich skeptisch war. Ich hab vor einigen Jahren mal einen Qi Gong Kurs gemacht und der war etwa die Hälfte der Termine grandios und die andere Hälfte die pure Folter, weil mein Gehirn mit der Langsamkeit nicht klar kam. Dazu kommt, dass die Tai Chi-Formen komplexer wirken. Das kann gut gegen das Abschweifen helfen. Ich befürchte aber, dass es vor allem gegen die Entspannung “hilft”, weil mich meine eigene Unkoordiniertheit massiv überfordert.

Worauf soll man achten? Erstaunlicherweise kommt es nicht so sehr auf die Präzision der Bewegung an. Es ist offenbar nicht so wichtig, dass man jederzeit exakt die richtige Position hält. Vielmehr geht es darum, in jeder Sekunde der Bewegung präsent zu sein, Bewegung und Atem zu koordinieren und immer balanciert zu bleiben. Ausfallschritte zum Beispiel macht man nur so groß, wie es möglich ist, ohne das Standbein zu bewegen.

Meine Erfahrung

Andere Teilnehmer berichteten über Schwierigkeiten mit dem Konzept der Energien, die in den Anleitungsvideos immer wieder angesprochen wurden. Zu esoterisch. Ich hatte eher ein Problem, mich überhaupt aufzuraffen, das Ganze auszuprobieren. Mitte der Woche habe ich eine kleine Einheit eingeschoben, als an der Arbeit alles so richtig sch….. lief. Erstaunlicherweise konnte ich mit der Energiesache tatsächlich was anfangen – wenn auch vermutlich anders, als der Trainer es meint.

Für mich ist der Gedanke, Energie durch meinen Körper zu leiten, gleichbedeutend mit achtsam zu katalogisieren, wo es sich gerade wie verspannt anfühlt – und ob sich das im Laufe der Übung verbessert. Und ich hatte auch deutlich weniger Koordinationsprobleme als befürchtet. Vielleicht ist das doch gar nicht so schlecht. Auf jeden Fall ist es eine Mini-Bewegungseinheit und die tut mir im Homeoffice immer gut.

Ich hab am Ende aber festgestellt, dass mir bei Tai Chi die Hürden zu hoch sind. Ich fand das schon – vor allem körperlich – entspannend. Aber die Tatsache, dass ich aufstehen, eine Fläche freiräumen muss usw. war schon zu viel Aufwand für mich. Interessante Erkenntnis: Entspannung kann sich wie Arbeit anfühlen.

Achtsamkeit

Woche 4 drehte sich um Achtsamkeit: Mindestens 10 Minuten am Tag auf die Sache konzentrieren, die man gerade tut. Wichtig: Es geht nicht nur darum, bewusst im Hier und Jetzt bleiben, ohne gedanklich abzuschweifen. Es geht auch darum, die Dinge, die passieren, nicht zu bewerten, sondern nur wahrzunehmen.

Bsp: Du machst dir einen Tee und verschüttest Wasser. Nur wahrnehmen, nicht sauer oder genervt auf die eigene Tollpatschigkeit reagieren bzw. diese Gefühle ebenfalls bewusst wahrnehmen und ziehen lassen.

Jeder entschied selbst, ob er oder sie die 10 Minuten am Stück üben oder auf kürzere Einheiten aufteilen will. Es geht darum, innezuhalten und die rasenden Gedanken einzufangen, um wieder bewusst zu entscheiden, wie wir eigentlich die nächste Zeit verbringen wollen.

Wer ein bisschen mehr Hintergrund zum Thema Achtsamkeit haben will, dem sei dieser Artikel empfohlen (Der Artikel ist übrigens von mir, aus meiner Zeit als Journalistin ;-)).

Meine Erfahrung

Erstes Fazit nach 2 Tagen: Ich finde Achtsamkeit eher anstrengend als erholsam, vermute aber, dass es eine Sache der Übung ist. Zunächst wollte ich meine Spaziergänge achtsam machen. Das habe ich genau einmal ausprobiert. Fast 5 Minuten war ich in der Gegenwart und hab nur wahrgenommen. Danach war mein Gehirn von der Anstrengung, sich nicht ablenken zu lassen, so fertig, dass der restliche Spaziergang mit den wildesten Gedankensprüngen ablief. Danach habe ich es kleiner versucht und immer, wenn ich Wasser getrunken habe, Achtsamkeit geübt. Das ging viel besser und fühlte sich jedes Mal wie eine Mini-Pause an – aber nicht im Sinne von Entspannung, sondern eher im Sinne von Innehalten, um bewusst zu entscheiden, wie es weitergeht.

Progressive Muskelentspannung

Mir war nicht bewusst, dass die Progressive Muskelentspannung a) so gut erforscht und erwiesen wirksam ist und b) sogar als komplementäre Behandlung bei zahlreichen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, aber eben auch ADHS eingesetzt wird. Wer mehr zum Hintergrund wissen möchte, dem empfehle ich diesen Artikel. Schönstes Zitat daraus, bei dem ich mich direkt ertappt fühlte: “Zu berücksichtigen ist, dass Entspannung als Fähigkeit ein gewisses Maß an Übung erfordert.”

Bei der Progressiven Muskelentspannung werden nacheinander bestimmte Muskeln oder Muskelgruppen 5 bis 7 Sekunden lang mit aller Kraft angespannt. Anschließend lässt man die Spannung auf einen Schlag los und spürt 20 bis 30 Sekunden lang nach, wie sich der Muskel nun anfühlt. Dann geht man zum nächsten Muskel über. Eine Ganzkörper-Session dauert zwischen 20 und 30 Minuten. Man kann aber auch in kürzeren Sessions arbeiten und dann eben vor allem die Muskelgruppen ansprechen, die die meisten Probleme bereiten. In meinem Fall sind das Kopf, Gesicht, Kiefer, Nacken und Schultern.

Progressive Muskelentspannung soll positiv auf das vegetative Nervensystem wirken. Durch die Muskelentspannung verändern sich offenbar sogar Puls und Blutdruck positiv. Gleichzeitig soll die körperliche Entspannung auch die psychische Entspannung zur Folge haben.

Das ist logisch, wenn wir darüber nachdenken, was bei Stress passiert: Wir spannen unbewusst Muskeln an. Wenn wir diese Anspannung lösen können, können wir auch die mentalen Stressreaktionen durchbrechen. Was ich besonders interessant finde: Wenn man das Ganze einmal beherrscht, trainiert das auch die Körperwahrnehmung. So merkt man künftig viel schneller, wenn sich stressbedingt Verspannungen bilden – und man kann selbstständig aktiv gegenwirken. Das wäre tatsächlich einen Versuch wert.

Meine Erfahrungen

Ich habe von Montag bis Donnerstag vier Einheiten gemacht und mir sind ein paar Dinge aufgefallen:

  1. Dass das bisher nie funktioniert hat, liegt an den Anleitungen (für mich). Selbst die beiden, die ich diese Woche ausgesucht habe, weil sie viel schneller sind, als alle anderen, sind mir immer noch zu langsam oder zu “esoterisch”. Wenn ich die Übungen einfach allein gemacht habe, war ich vermutlich zu schnell, um den vollen Effekt auszuschöpfen, hab das aber gut durchziehen können, ohne mich ablenken zu lassen.
  2. Ich finde die Methode erstaunlich effektiv. Ich hab jeweils vor dem Einschlafen geübt, weil ich damit diese Woche wieder meine Probleme hatte. Und tatsächlich hat es mir recht schnell geholfen, runterzufahren. Ich hab das vor allem an meiner Atemfrequenz gemerkt, die mit der Übung langsamer (und der Atem tiefer) wurde.
  3. Die Muskeln isoliert anzuspannen, ist schwerer als gedacht. Der Kern der Übung ist ja, nur die Muskelgruppe anzuspannen, die gerade dran ist, den Rest des Körpers aber „weich“ zu lassen. Das muss ich eindeutig länger üben.
  4. Im Sitzen spüre ich körperlich einen stärkeren Entspannungseffekt als im Liegen. Im Liegen habe ich das Gefühl, die Muskeln bleiben leicht angespannt – auch wenn ich die Spannung gerade gelöst habe. Im Sitzen finde ich es einfacher, die Muskeln richtig zu entspannen (also auch was gegen Verspannungen zu tun). Für Kopf, Nacken, Schultern und Torso habe ich das Ganze sogar schon im Stehen gemacht und fand das auch sehr erfolgreich.

Breathwork

Für diese Woche hatte ich einen Experten ins Boot geholt. Nicolas kenne ich über den Podcast „ADHS positiv“, bei dem er einer der Hosts ist. Als Therapeut arbeitet er viel mit Breathwork und hat uns in einem 90-Minuten-Workshop 3 Methoden erklärt:

  1. Box-Atmung: 4 Sekunden einatmen, 4 anhalten, 4 ausatmen, 4 anhalten. Wirkung: entspannter Fokus
  2. Buteyko-Methode: Atmung stückweise verlangsamen (erst jeweils über 4 Sekunden ein- und ausatmen, dann über 5, dann 6 usw. – so lange verlängern, wie du es schaffst). Wirkung: angstlösend, entspannend, soll langfristig sogar bei Asthma helfen
  3. Wim-Hof-Atmung: 30 schnelle, kraftvolle Atemzüge, danach voll ausatmen und dann Luft anhalten, so lange es geht. 3 Runden, Luft in jeder Runde länger anhalten. Wirkung: aufputschend

Meine Erfahrungen

Ich hasse die Wim-Hof-Atmung. Hab ich mehrfach ausprobiert in diese Woche, finde ich ultra unangenehm und sorgt am Ende für Muskelverspannungen und Schwindel statt Entspannung. Buteyko war für mich neu, habe ich in dieser Woche fast jeden Tag gemacht. Diese Methode finde ich toll, wenn es darum geht, ruhiger zu werden. Je langsamer und damit tiefer ich atme, desto langsamer werden auch die rasenden Gedanken. Es hat allerdings keinen anhaltenden Effekt, also keine langfristige Entspannung. Dasselbe gilt für die Box-Atmung, die ich schon ein paar Jahre nutze, wenn sich alles so überwältigend anfühlt. Breathwork hilft mir, in akuten Stresssituationen runterzukommen. Aber es taugt für mich nicht, um wirklich abzuschalten und Kopf und Körper zu entspannen.

Akupressur

Eigentlich sollte das die letzte Woche werden, denn das Experiment war ursprünglich nur auf 7 Wochen ausgelegt. Als Finale entschied ich mich für Akupressur. Das war für mich nicht ganz neu, denn ich habe gegen die Reiseübelkeit schon Akupressur getestet (wirkt nur, wenn du so viel Druck ausübst, dass dir die Finger abbrechen. Die Armbänder sind vollkommen wirkungslos.) Und auch meine Nadelmatte, auf der ich jeden Abend mindestens 20 Minuten liege, ist ein Akupressur-Produkt. Das ist allerdings Hardcore-Akupressur :-D.

Meistens wird Akupressur aber mit den Fingern ausgeübt. Für die Entspannung habe ich mich in dieser Woche auf 3 Punkte konzentriert:

  1. Am höchsten Punkt der Augenbrauen
  2. An der Hand, wo die Knochen von Daumen und Zeigefinger zusammentreffen (und ja, ich weiß, das sind die Mittelhand- und streng genommen nicht die Daumen- und Zeigefingerknochen, aber so findet man den richtigen Punkt leichter).
  3. Die Vertiefung, die du findest, wenn du von der Spitze deiner Ohren etwa eine Daumenbreite Richtung Hinterkopf wanderst.

Weitere Akupressurpunkte findet man online. Meine Erfahrungen mit der Akupressur waren, wie gesagt, gemischt. Die Nadelmatte funktioniert bei mir eigentlich immer, bietet aber auch einen sehr starken Reiz. Ich war skeptisch, ob ein bisschen Druck durch meine Finger wirklich eine ähnliche Wirkung haben kann.

Meine Erfahrungen

Am ersten Tag habe ich einfach alle Punkte an einem Tag ausprobiert :-D. Abends auf der Nadelmatte – ist und bleibt die beste Akkupressurversion für mich. Beim Autofahren (im Stau) habe ich die Druckpunkte an Hand und Kopf ausprobiert. Ich drücke da aber nicht mehr als 2 Minuten rum, zum einen, weil es langweilig ist, aber auch, weil es irgendwann unangenehm und sogar schmerzhaft wird.

Mein erstes Fazit zu den Punkten: Der an der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger ist bei mir super schmerzempfindlich, da tut das Rumdrücken richtig weh. Der hinter den Ohren ist anstrengend (für die Arme) und ich merke keinen Effekt. Verblüffend wohltuend fand ich die an den Augenbrauen – auch weil die zumindest ein bisschen gegen meine Dauerkopfschmerzen helfen. Dazu fiel mir dann noch ein Tipp ein, den mir eine Physiotherapeutin vor Jahren mal gegeben hat: an den Ohren ziehen und zwar in alle Richtungen. Klingt komisch, hilft aber, die Gesichtsmuskeln zu entspannen. Ob das noch als Akupressur durchgeht?

Eine lustige Erkenntnis (die ich natürlich sofort testen musste) kam dann noch von einer anderen Teilnehmerin: Wenn man den Daumen-Zeigefinger-Punkt lang genug massiert, kann man hinterher seinen Daumen viel weiter abspreizen, als den anderen. Kann man testen indem man vorher und hinterher die Handflächen aneinander legt. Das funktioniert übrigens wirklich!

Ich habe das Gefühl, Akupressur funktioniert vor allem, weil ich in der Zeit nichts anderes machen kann, sondern mich auf die „Entspannung“ konzentrieren muss. Als Entspannungsmethode fand ich das nur so halb hilfreich, aber gegen die Kopfschmerzen hilft mir Akupressur wirklich.

Neuronaler Tremor

Woche 8 war eine Bonuswoche und die Methode dazu kam nicht von mir, sondern von Katja aus der Discord-Community. Deshalb lasse ich sie hier auch mal direkt zu Wort kommen:

„Hallo zusammen, ich bringe euch für die Entspannung auf körperlicher Ebene eine ziemlich abgefahrene und eher unbekannte Methode aus der Körperpsychotherapie mit: TRE. Das ist die Abkürzung für tension/trauma releasing exercises man findet es auch unter dem Stichwort neurogenes Zittern.

Das sieht sehr abgefahren aus und fühlt sich auch sehr abgefahren an. Ich finde es für mich sehr effektiv auf körperlicher Ebene und weil so viel “passiert” währenddessen, auch für den Kopf.

Wirkmechanismus funktioniert so: Zittern ist eine natürliche Reaktion des Körpers nach stressreichen Ereignisse um die Stressreaktion im Körper wieder aufzulösen. Tiere und kleine Kinder machen das ganz natürlich, als Erwachsene haben wir uns das abtrainiert, wir müssen uns ja immer zusammenreißen.

Dieses Zittern kann man provozieren/auslösen. Klingt vielleicht merkwürdig und braucht vielleicht auch ein bisschen Zeit und Geduld beim ersten Ausprobieren. Wenn man’s gefunden hat und zulassen kann, läuft das Zittern quasi von selbst durch den Körper, man kann es aber jederzeit unterbrechen..“

Dazu hat Katja eine Videoanleitung gepostet. Im Prinzip sorgt man für Muskelermüdung, indem man im Liegen (auf dem Rücken) die Beine anwinkelt, so dass man die Fußsohlen aneinanderlegen kann. Dann hebt man den Hintern vom Boden und hält diese „Brücke“ so lange man kann. Anschließend wieder ablegen und warten. Man kann jetzt ein bisschen mit der Position der Beine experimentieren, sie flach auflegen oder ein bisschen ankippen oder auch ganz aufstellen.

In dem Video löste das beim Trainer nicht nur Zittern aus, sondern Zuckungen und Verdrehungen des Körpers, die mich ein bisschen an Exorzismen erinnerte.

Meine Erfahrungen

Ich habe Hemmungen. :-D. Irgendwie will ich das nicht machen, wenn mein Mann mich dabei beobachten kann. Deshalb habe ich es erst spät in der Woche ausprobiert.

Am Ende habe ich es ausprobiert. Einmal. Bei mir sieht das nicht aus, wie ein Exorzismus, aber ich kann diese Brücke, die man am Anfang macht, um die Muskeln zu ermüden, auch nicht annähernd so lange halten wie im Video gezeigt. Das Zittern setzt bei mir ein, aber erst, wenn ich die Beine ein bisschen aufrichte. Fühlt sich aber eher an, wie das Zittern nach einer Wiederholung zu viel beim Kraftsport. Also simple Muskelermüdung.

Besonders entspannend oder emotional lösend empfand ich das nicht. Ich kann mir vorstellen, dass das Zittern tatsächlich Verspannungen in den Muskeln lösen kann. Aber ich glaube, das ist eher nicht meine Übung.

Mein Ranking der Entspannungsmethoden

Mein absoluter Favorit war sehr schnell identifiziert: Yoga Nidra hat mich vollkommen überrascht. Ich liebe das und es hilft sowohl meinem Kopf als auch meinem Körper. Nur fehlt mir leider oft die Zeit oder auch die ablenkungsfreie Zone für eine volle Einheit.

Mein Urteil zu den anderen Methoden ist durchwachsen. Es gab einige, die ich überraschenderweise nicht so ätzend fand wie gedacht. Aber keine davon war ein Volltreffer.

Mein Rannking sieht aktuell also so aus:

  1. Yoga Nidra
  2. Progressive Muskelentspannung
  3. Toe Tapping und Buteyko-/Box-Atmung
  4. Tai Chi
  5. Akupressur
  6. Achtsamkeit, Wim-Hof-Atmung und Neuronales Zittern

Den 3. Platz teilen sich je drei Methoden: Buteyko-Atmung, Box-Atmung und Toe Tapping. Ich hab versucht, Toe Tapping und eine der Atemtechniken zu kombinieren, aber das ist nicht zu empfehlen. Die unterschiedlichen Rhythmen sorgen für einen Kurzschluss in meinem Hirn, wenn ich die gleichzeitig übe. Aber alle drei Methoden haben mir geholfen, zu entspannen – auf unterschiedliche Weise und nicht so nachhaltig wie Yoga Nidra oder die Progressive Muskelentspannung. Dafür sind sie aber viel schneller und leichter anwendbar. Ich muss dafür nicht viel Zeit investieren, nichts vorbereiten und brauche auch keine Anleitung. Quick fixes sozusagen.

Dagegen sind Yoga Nidra und Progressive Muskelentspannung Methoden, die Übung brauchen, um die volle Wirkung zu entfalten. Wobei eine weitere Erkenntnis war, dass ich für Yoga Nidra unbedingt eine Anleitung brauche, weil ich sonst nach 2 Minuten mit meinen Gedanken ganz woanders bin. Bei der Progressiven Muskelentspannung dagegen waren alle Anleitungen kontraproduktiv. Das fühlt sich am besten an, wenn ich es einfach in meinem Tempo für mich allein übe.

Auch den letzten Platz teilen sich drei Methoden: Neuronales Zittern, Wim-Hof-Atmung und Achtsamkeit. Im besten Fall hatten die einfach keinen Effekt. Es gab aber auch Tage, in denen ich nach einer Übungseinheit damit sogar angespannter und gestresster war als vorher. Diese drei sind also gar nicht meins.

Fazit nach Ende des Experiments

Dieses Experiment hat mich in den letzten Wochen wirklich davor bewahrt, durchzudrehen. Der Hauptjob fordert gerade alles von mir. Ich versinke in Arbeit und Chaos und die Stimmung wird immer angespannter. Entsprechend bin ich selbst auch unter Dauerspannung. Und es hilft auch nicht, dass meine Morgenspaziergänge ausfallen, weil ich vorrübergehend täglich ein frühes Meeting habe.

Deshalb habe ich in den letzten beiden Wochen täglich eine der Entspannungsübungen eingeschoben, wann immer ich es brauchte. An einem Morgen eine schnelle Einheit Progressive Muskelentspannung auf dem Balkon (nur Kopf und Oberkörper), an einem anderen Yoga Nidra in der Mittagspause und immer wieder Blitz-Atemübungen im Laufe des Tages. Und tatsächlich habe ich das Gefühl, dass es mir hilft, die schlimmsten An- und Verspannungen zu verhindern, leichter abzuschalten und letztlich auch schlimme Spannungskopfschmerzen und Migräneattacken zu verhindern.