Schlaf, Kindlein, schlaf… oder auch nicht
Unser Beziehungsstatus wäre: „Es ist kompliziert!“ Schlaf und ich, wir haben eine dramatische On-Off-Beziehung. Doch das soll sich endlich ändern. Deshalb hatte ich Anfang Juni die Schlaf-Challenge ausgerufen. Wie die gelaufen ist und wie du vielleicht selbst deinen Schlaf verbessern kannst, erzähle ich dir hier.
Schlaf ist grundsätzlich kein Problem für mich. Ja, ich brauche ein bisschen länger zum Einschlafen, aber das mag ich. Denn diese halbe Stunde, die ich mit geschlossenen Augen im Bett liege und auf den Schlaf warte, nutze ich schon seit meiner Kindheit, um mir selbst Geschichten zu erzählen. Mit mir in der Hauptrolle. Aber in einem Leben mit mehr Abenteuer, Drama, Glamour oder Magie, manchmal auch in einer ganz anderen Zeit oder einer anderen Welt. Und ich weiß vorher nie, welche Geschichte ich mir erzähle, denn die suche ich mir nicht aktiv aus. Die kommen zu mir.
Meine Einschlafphase besteht also aus Fantasie, Kreativität und Überraschung – drei Dinge, die ich wirklich liebe. Und dazu habe ich es auch noch schön und super entspannend, denn vor der Geschichte liege ich eine halbe Stunde auf der Nadelmatte – meistens lesend – und im Schlafzimmer ist nur noch das Licht meines Sternenlichtprojektors an. Kurz und gut: Ich gehe also wirklich gern schlafen. Grund genug, so früh wie möglich ins Bett zu gehen, oder?
Leider nein.
Warum ich früher schlafen will
Ich mag das Schlafen. Aber mein Gehirn erinnert sich daran irgendwie nur zweimal am Tag: In dem Moment, in dem wir uns tatsächlich hinlegen. Und morgens – wenn ich merke, dass ich mal wieder viel zu wenig geschlafen habe.
Seit Jahren häufe ich eine Schlafschuld auf. Dabei habe ich keine Kinder oder zu pflegende Angehörige, arbeite nicht in Schichten und hab auch sonst keine außergewöhnlichen Verpflichtungen. Ich hätte Zeit, rechtzeitig ins Bett zu gehen.
Und das viel beschworene „Warum“ kann ich auch benennen: In meiner Familie kommt Alzheimer gehäuft vor und ich habe aus der Nähe erleben müssen, wie furchtbar diese Krankheit ist. Schlaf (und Bewegung – eine weitere Baustelle) ist das beste Präventionsmittel gegen Alzheimer und Demenz und ich habe große Angst, daran zu erkranken. Starkes Motiv oder?
Warum schaffe ich es also trotzdem seit Jahren nicht, rechtzeitig ins Bett zu gehen und genug zu schlafen?
Warum ich nie rechtzeitig ins Bett komme
Ehrlich gesagt, ich kann es nicht wirklich erklären. Oder doch, kann ich schon, aber es klingt wie eine Ausrede: Ich kann einfach nicht aufstehen.
Nach meinem Feierabend im Hauptjob bleibe ich meist einfach direkt am Schreibtisch sitzen. Im besten Fall arbeite in an Zeitplanerin-Kram. Im schlechtesten daddle ich stundenlang sinnfreie Handyspiele, während ich Reddit-Stories-Videos auf Youtube höre. Und wenn ich abends erst in dieses Loch gefallen bin, komme ich nicht mehr raus.
Zu müde zum schlafen
Auf Discord haben wir das Thema auch diskutiert und da hat eine von euch geschrieben: „Wenn ich zu lange warte, bin ich zu müde zum schlafen.“ Und während das für viele wahrscheinlich seltsam klingt, hat das für mich sofort Sinn ergeben.
Und ich habe dann auch noch die Bestätigung gefunden, als ich dieses Video von Dr. K. gesehen habe:
Er erklärt darin eben genau dieses Phänomen: Wenn wir den Zeitpunkt verpassen, an dem wir gemäß unseres zirkadianen Rhythmus‘ ins Bett gehen sollten, kommen wir von „müde“ zu „erschöpft“ – und dann fehlt uns die Energie, um uns fertig zu machen und ins Bett zu gehen.
Dr. K. plädiert übrigens dafür, nicht beim Schlaf anzufangen, sondern unser Verhalten am Tag zu ändern. Dann käme Schlaf von ganz allein. Gestützt wird das auch von Andrew Huberman (seine Morgenroutine ist eine Youtube-Legende) und Dr. Matthew Walker. Letzter hat „Das große Buch vom Schlaf“ geschrieben, das ich zwar immer noch nicht zu Ende gelesen habe, aber sehr empfehlen kann.
Revenge Bedtime Procrastination
Ein anderer Grund, der gerade in der ADHS-Community immer wieder diskutiert wird: Revenge Bedtime Procrastination. Wenn wir tagsüber ständig irgendwie beschäftigt sind und das im schlimmsten Fall auch noch für andere, dann haben wir abends das Bedürfnis, endlich mal Zeit für uns allein zu haben. Die wollen wir nicht quasi bewusstlos (aka schlafend) „verschwenden“ – und schon ist der Vorsatz, früher ins Bett zu gehen, dahin.
In meinem Kopf läuft in dieser Phase übrigens eine lautstarke Spirale von Kommandos ab, die mir erzählen, was ich alles Sinnvolles machen könnte. Oder dass ich mich endlich fertig machen müsste, um rechtzeitig ins Bett zu gehen. Aber in meinen Beinen kommen diese Kommandos nie an. Ich kann einfach nicht aufstehen. Und das meine ich ganz wörtlich. Es fühlt sich an, als hätte man mich auf meinem Stuhl festgeklebt.
Die Schlaf-Challenge
Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, hatte ich euch um eure Tipps gebeten. Ich hatte auf Instagram und Discord gefragt, wie ihr es schafft, rechtzeitig ins Bett zu gehen. Aus euren Tipps habe ich mir dann einen Plan für eine Schlaf-Challenge gebastelt. Die sollte im Juni stattfinden. Und war am 7. Juni schon wieder Geschichte.
Warum? Weil ich meinen Fuß nicht einkalkuliert hatte. Die Tipps, von denen ich mir am meisten Wirkung versprach, sind mit zwei Krücken und einem Fuß, den ich nicht belasten darf, sehr mühselig. Deshalb musste ich die Challenge verschieben.
Ich habe also auch im Juni in den meisten Nächten weniger als 6 Stunden geschlafen, bin teilweise ins Bett gegangen, als die Vögel ihr „Guten Morgen“ anstimmten. Und nein, mir geht es damit nicht gut – körperlich nicht und psychisch auch nicht. Deshalb bleibt das Thema auf meiner Agenda.
Eure Schlaf-Tipps
Aber weil bei der Umfrage herauskam, dass auch viele von euch ein Problem damit haben, rechtzeitig, ausreichend und gut genug zu schlafen, kommen hier mal alle Tipps, die ich von euch so bekommen habe. Probier aus, teste dich durch. Vielleicht ist hier ja Gold drin, wenn es um deine eigenen Schlafprobleme geht:
Routinen etablieren
- Vorm Schlafen immer eine Kleinigkeit im Haushalt erledigen
- Liebevoller innerer Dialog
- Statistiken zum Schlaf führen und Gleichmäßigkeit herstellen
- Schlafkonto pro Woche statt pro Tag führen und so Druck rausnehmen
- extra-früh fertig machen und dann ohne schlechtes Gewissen daddeln
- Melatonin einnehmen (persönlich Erfahrung, bitte Supplements immer mit deinem Arzt abklären!)
- Ab 21 Uhr alle Lichter dimmen
- Fester Ablauf jeden Abend
- Immer zur selben Zeit ins Bett (Wettbewerb aka Don’t break the chain daraus machen)
- Besonderen/besonders langen Podcast nur während der Abendroutine hören
- „Zeit zum Entspannen“-Alarm zwei Stunden vor Bettzeit, der auf allen Endgeräten optisch und akustisch auftaucht
Weg vom Schreibtisch
- Kein Handy/Tablet/PC nach dem Abendessen
- Alarme auf der Smartwatch einrichten für Feierabend, Fertigmachen, Bettzeit
- Software nutzen, die Rechner oder zumindest Internet automatisch zu bestimmter Uhrzeit abschaltet
- Zeitschaltuhr am Monitor
- Wecker im Schlafzimmer, der zur Bettzeit läutet
Belohnung etablieren
- Belohnung nach x-mal rechtzeitig ins Bett gegangen
- Lesen nur im Bett
- Sensorisch besonders angenehme Bettwäsche
- Schöne Bett-Beschäftigung auswürfeln oder per Glücksrad finden
- Für jedes Mal pünktlich schlafen Summe x aufs Sparkonto
- Handarbeiten im Bett
- Nadelmatte und Sterneprojektor (meine aktuelle Routine – so schön entspannend)
- Heizdecke im Bett (im Winter)
Transition erleichtern
- Alexa Feierabendablauf mit Songs (am besten Überraschungssong jeden Abend) und/oder witzigen Ansagen
- Bettzeit täglich neu auswürfeln
- Buntes, zeitgesteuertes Licht (nach Farbcode: erst gelb, wenn ich an Zeitplanerin-Dingen arbeite, dann pinkt für privat aka Fertigmachen)
Ich werde es, sobald ich wieder mobil bin, mit einer Mischung aus euren und den Experten-Tipps von Dr. Mattew Walker, Andrew Huberman und Dr. K. probieren. Eine Alexa steht auf meinem Einkaufszettel für den Prime Day. Ich suche nach einer Browsererweiterung, die mir zu einer bestimmten Uhrzeit das Internet kappt. Und die Idee, im Schlafzimmer den Wecker auf die Zeit zu stellen, zu der ich mich fertig machen soll, finde ich brillant. Um ihn auszuschalten, muss ich ins Schlafzimmer gehen. Tada: Weg vom Schreibtisch!
Außerdem versuche ich die Tipps aus dem Buch „Good Habits, Bad Habbits“ von Wendy Woods umzusetzen, um eine echte positive Schlafgewohnheit aufzubauen. Das bedeutet: Eine Umgebung schaffen, die mir das ins Bett gehen leicht macht und es belohnt. Wie das konkret gehen soll, weiß ich noch nicht.
Eine erste Idee ist, mein Handy und Tablet nach Feierabend ins Schlafzimmer zu legen. Durch meine Smartwatch bekäme ich trotzdem mit, wenn ein Anruf eingeht, aber sonst muss ich mich fertig machen und früh ins Bett gehen, wenn ich noch daddeln, auf Instagram scrollen oder lesen will.
Und ja, ich weiß, dass alle Experten empfehlen, elektrische Geräte in der Stunde vor dem Schlafengehen zu meiden. Aber für mich ist das restlos unrealistisch. Und ganz ehrlich, was ist wohl schädlicher: Wenn ich mich blauem Licht und Elektrosmog aussetze, dafür aber schon mal im Bett bin und somit auch potenziell früher schlafe? Oder wenn ich die Geräte im Büro nutze und mich dann bis in die Nacht nicht losreißen kann?
Ich werde euch berichten, wie meine Schlaf-Challenge weitergeht. In ein paar Monaten sicher hier im Magazin. Bis dahin aber auch auf Instagram, Discord und Youtube. Schau gern mal vorbei!
Und der Vollständigkeit halber: Die üblichen Tipps für einen besseren Schlaf kennst du vermutlich längst. Aber falls nicht, hier noch mal kurz und knapp die wichtigsten Empfehlungen:
- Schlafzimmer kühl und dunkel halten
- Vor dem Schlafengehen durchlüften
- Geräusche möglichst beseitigen
- Keine schwere Mahlzeit vor dem Schlafengehen
- Keine große Trinkmenge vor dem Schlafengehen
- Keine hochintensive Sporteinheit vor dem Schlafengehen
- Gutes (individuell!) Kopfkissen
- Genug Zeit und passende Aktivitäten zum Runterfahren einplanen (leichte Bewegung, Meditation, Journaling, Musik, Abendroutine, lesen etc.)