Timeboxing: ein Selbstexperiment

Aufgaben wie Termine behandeln, ihnen eine feste Dauer zuweisen und sie über den (Arbeits)Tag verteilen. Das ist Timeboxing. Klingt banal? Dachte ich auch. Und war sehr überrascht, wie viele positive Effekte ich bei meinem einwöchigen Timeboxing-Experiment feststellen konnte.

Wenn es Bill Gates und Elon Musk machen, verdient Timeboxing zumindest eine Chance, dachte ich, als ich vor einigen Wochen immer wieder über diese Methode stolperte. Große Erwartungen hatte ich aber nicht. Dafür klang das alles viel zu banal und normal. Immerhin hab ich in den letzten Jahren eine Menge – teilweise sehr komplexer – Zeit- und Selbstmanagementmethoden ausprobiert. Und jetzt sollte die schlichte Zusammenlegung von To-Do-Liste und Kalender zum Gamechanger werden? Konnte ich mir nicht vorstellen.

Aber es war neu für mich und Neues finde ich immer super. Also stürzte ich mich mit Feuereifer in das Experiment. Eine Woche lang organisierte ich meine Aufgaben in meinem Kalender (Du kannst das aber auch einfach auf einem Blatt Papier machen).

Time Boxing kurz erklärt:

Beim Timeboxing geht es darum, jede Aufgabe, die du erledigen willst, mit einem festen Zeitrahmen zu versehen. Du notierst also, was du tun willst, wie viel Zeit du dir dafür gibst und wie das Ergebnis am Ende aussehen soll. Das war’s eigentlich schon. Ich habe diese Timeboxen dann in meinen Kalender eingetragen und so meinen Tag gefühlt (Pro-Tip: Pausen und Ablenkungszeiten bekommen eine gleichwertige Timebox – erhöht die Disziplin ungemein!).

Das Ziel: Durch die feste Zeit sorgst du für eine künstliche Deadline. Neigst du dazu, mit Aufgaben ewig nicht fertig zu werden, weil du dich in deinem Perfektionismus verrennst, überlistet du dich damit selbst. Gleichzeitig hilft dir – bei relativ kurzen Zeitboxen – das absehbare Ende, zügiger ins Tun zu kommen. Und weil jede Aufgabe ihren Slot hat, soll dir dank Timeboxing Fokus und Konzentration viel leichter fallen.

Timeboxing: das Experiment

Ich habe mich also eine Woche lang jeden Abend eine Viertelstunde hingesetzt und die Aufgaben aus meiner Wochen-To-Do-Liste in den Kalender eingetragen. (Ja, die brauche ich trotzdem – damit ich alles aufschreiben kann, auch wenn es gerade noch nicht dran ist.) Das Ergebnis war vielleicht nicht gerade ein Gamechanger in meinem Zeitmanagement. Aber es hat für mich verblüffend viele positive Veränderungen bewirkt. Und das, obwohl ich mir für mein Experiment eine schwierige Woche ausgesucht hatte. Ich hatte nicht nur beruflich fixe To Dos. In der Woche habe ich zusätzlich die Masterarbeit einer Freundin Korrektur gelesen und damit das nicht am letzten Tag (*hüstel* oder vielmehr in der letzten Nacht) in Stress ausarbeitet, wollte ich daran jeden Abend ein Stückchen arbeiten. Ich habe also nicht nur meinen Arbeitstag, sondern auch meinen Feierabend in Zeitboxen gepackt.

Tag 1: Erstaunlich, wie gut mir Struktur tut!

Dass mir das Planen am Vortag Spaß machen würde, wusste ich (toll! Wie Tetris spielen im Kalender). Aber dass mir die vorbereiteten Timeslots so viel Gelassenheit, Ruhe und damit auch Fokus bringen, hätte ich nicht erwartet. Was ich aber merke: Ich muss Ziele besser formulieren.

Ich hatte beispielsweise einen Zeitblock „Text für Zeitplanerin“ eingeplant. Das war viel zu unkonkret. Ich hatte nicht definiert, welchen Text ich angehen wollte und ob der nur recherchiert, im Erstentwurf vorliegen oder veröffentlichungsreif sein soll. Ohne diese Infos ist eine realistische Aufwandsschätzung aber gar nicht möglich. Folglich hatte ich auch kein Empfinden dafür, ob das, was ich gerade schaffe, ein Erfolg ist oder nicht. Die Arbeit plätscherte also mehr so vor sich hin.

Tag 2: Und schon schwindet die Disziplin!

Ich kam schwer aus dem Bett, meine Morgenroutine begann später und ich geriet unter Druck, weil das meine gesamte Folgeplanung zum Schwanken brachte. Ich plante also die ersten Timeboxen um, bevor ich mit meinem Arbeitstag überhaupt richtig angefangen hatte. Das entmutigte mich so, dass ich mich sehr zusammenreißen musste, beim Rest trotzdem konsequent im Plan zu bleiben. Mittags war ich dafür umso stolzer, dass ich den Rest durchgezogen habe – und hatte erstaunlich viel geschafft.

Erkenntnis: Timeboxen auch für den Feierabend einzuplanen ist ein zweischneidiges Schwert. Diese Woche half es einerseits, weil ich täglich eine kurze Sporteinheit einlegen wollte (Spoiler: Es blieb beim Wollen) und die Masterarbeit auf dem Tisch hatte. Die fest eingeplanten Slots dafür verhinderten, dass ich das bis Mitternacht aufschob. Sie verdeutlichten mir nämlich, wie wenig Zeit nur noch war, bis ich schlafen gehen sollte. Das „Das hat ja noch Zeit, mache ich gleich“-Gefühl, das mich schon so oft in Schwierigkeiten gebracht hat, hatte dadurch überhaupt keine Chance. Andererseits fühlte ich mich zunehmend eingeengt, wenn auch noch mein Feierabend durchgeplant ist.

Tag 3: Ein Tag für die Tonne!

Heute ist Bürotag. Kein Homeoffice und damit zu viele Ablenkungen und unplanbare Zwischenfälle. Das Gespräch mit der Kollegin am Vormittag war toll, aber auch lang. Ich hatte aber keine Lust, es abzubrechen und hab deshalb anderthalb Timeboxen einfach ignoriert. Das hat natürlich auch dem restlichen Tag nicht gut getan. Die privaten Timeboxen am Abend hatte ich dann wieder besser im Griff. Allerdings dauerte es eine Weile, um nach dem Heimweg wieder reinzukommen. Deshalb habe ich nicht ganz zur geplanten Zeit angefangen.

Tag 4: Auf der Suche nach der verschollenen Selbstdisziplin!

Heute ließ mich meine Selbstdisziplin im Stich. Erneut kein Homeoffice, weniger Gespräche, dafür aber spontane Aufgaben, auf die ich mehr Lust hatte als auf die geplanten. Der Geist war schwach: Ich habe alles umgeworfen und mich gar nicht mehr an meine Planung gehalten. Die Strafe folgte auf dem Fuß: mehr gefühlter Stress, weniger geschafft und am Abend so fertig, dass ich die wichtigen privaten Zeitboxen einfach nicht mehr abhaken konnte. Ich habs versucht, konnte mich aber nicht mehr als 4 Minuten am Stück konzentrieren.

Tag 5: Back on Track!

Heute fallen meine Zeitboxen größer und großzügiger aus (nur viereinhalb Aufgaben den ganzen Tag – drei Aufgaben und mein Sportreminder). Ich bin wieder im Homeoffice. Die Morgenroutine fiel trotzdem schon wieder aus. Ich war am Vorabend so spät ins Bett gekommen, dass ich mich zwischen ausreichend Schlaf und der Morgenroutine entscheiden musste. Ergebnis: Egal, für welches ich mich entscheide – eins ausfallen zu lassen, ist Mist.

Trotzdem komme ich gut in die erste offizielle Zeitbox. Ich bin ablenkungsanfälliger als Anfang der Woche und schaffe das Aufgabenziel deshalb nicht 100 %. Aber ich bin nah genug dran, um zufrieden mit mir zu sein. Vor allem aber bleibe ich den ganzen Tag in meiner Planung. Bis zum Feierabend.

Bei meinen privaten Timeboxen breche ich ein. Mit dem letzten Teil der Masterarbeit fange ich an, als ich damit offiziell schon drei Stunden fertig sein wollte. Und der Sport fällt (zum dritten Mal diese Woche) schon wieder aus. Trotzdem: Alles in allem bin ich zufrieden mit dem Ergebnis. Und sehr verblüfft, denn ich war in dieser Woche sehr viel produktiver. Ich hab vor allem Aufgaben, die ich sonst mit schönster Regelmäßigkeit aufschiebe, sehr konsequent abgehakt. Und ich fühlte mich trotz relativ hohem Workload entspannt und überhaupt nicht gestresst.

Tag 6: Wochenende, hoch die Hände!

Es ist Samstag und wir sind den ganzen Tag unterwegs, um Dinge zu erledigen. Ich hab deshalb nur eine einzige Timebox eingeplant: Abends will ich mich um die Zeitplanerin kümmern. Das ist sehr erfolgreich. Als ich um 6 Uhr am Sonntagmorgen den Rechner ausmache, hat der Podcast ein neues (endlich wirklich schönes) Cover, Instagram, Facebook und Twitter ein passendes Profilfoto und der Blog ein neues Bild, die richtige Titelschrift und einen weiteren Blogpost.

Tag 7: Viel zu tun, aber keine einzige Timebox!

Es ist Sonntag und da habe ich einfach keine Lust auf Durchorganisiertheit. Also gibt es heute keine Timeboxen. Ich hätte zwar noch einige To Dos auf dem Zettel, beschließe aber, dass die meisten davon warten können und gönne mir einen faulen Tag. Kaffee im Bett vom Lieblingsmann (der gar keinen Kaffee trinkt, aber den allerbesten kocht), stundenlang ungestört lesen, vor-mich-hin-träumen beim Blick aus dem Fenster, wo ein Schneegestöber tobt (zum Glück sind die Nachbarn mit dem Winterdienst an der Reihe). Na gut, und dann habe ich doch genug vom Nichtstun. Ich schreibe diesen Text, bevor ich endlich dem dreckigen Geschirr den Kampf ansage.

Fazit: Produktiv, entspannt und was ich aus dem Timeboxing-Experiment sonst so mitgenommen habe

Am Ende der Woche bin ich wirklich überrascht, wie wertvoll das Experiment war. Ich war deutlich entspannter und trotzdem produktiver als sonst. Die Zeitboxen haben mir enorm geholfen, mich auf ein Thema zu fokussieren statt innerhalb weniger Minuten (gedanklich oder tatsächlich) zwischen den hundert Aufgaben auf meiner To-Do-Liste hin und her zu springen. Ich brauchte das Timeboxing eher nicht, um den Zeitaufwand einzelner Aufgaben realistisch abschätzen zu lernen. Da lag ich meist richtig. (Wenn das dein Problem ist, probier Timeboxing unbedingt aus und pass deine Zeitboxen jedes Mal an, bis du von Anfang an richtig schätzt!)

Dafür war das Experiment für mich auf einer anderen Ebene sehr heilsam. Nämlich um zu realisieren, wie wenig Stunden so ein Arbeitstag hat. Meine „Nur-6-Aufgaben-pro-Tag“-To-Do-Listen-Regel habe ich diese Woche automatisch eingehalten, weil mehr Tasks an einem Tag einfach nicht in den Kalender passten. Eher sogar deutlich weniger, denn die meisten meiner Aufgaben brauchten ein bis zwei Stunden.

Durch die detaillierte Planung hatte ich das beruhigende Gefühl, meinen Tag und meine Aufgaben unter Kontrolle zu haben. Ich brauche das. Andere profitieren vielleicht eher von der künstlichen Deadline, die Timeboxing schaffen kann. Da Perfektionismus aber nicht mein Problem ist, hat dieser Aspekt für mich gar keine Rolle gespielt.

Total überraschend war, wie ruhig ich mich fühlte (okay, bis auf den einen Tag, als alles den Bach runterging). Mir war vorher nicht bewusst, wieviel unterschwelligen Stress ich mir selbst jeden Tag mit meiner vollen, aber ungeordneten Aufgabenliste mache. Weil sie weder priorisiert noch mit einer Aufwandsschätzung versehen sind, schwirren die Aufgaben alle gleichzeitig in meinem Kopf rum. War ich mit einer beschäftigt, trommelten die anderen in meinem Hinterkopf herum, damit ich sie nicht vergesse. Zugleich blieb das Gefühl, einige nicht zu schaffen. Das alles fiel diese Woche weg, weil die Aufgaben mit realistischen Aufwandsschätzungen in den Kalender eingetragen waren. Ich wusste also:

  1. Ich hab alle To Dos schriftlich fixiert. Es kann nichts mehr in Vergessenheit geraten.
  2. Ich hab alle To Dos realistisch eingeplant. Sie sind diese Woche zu schaffen – wenn ich mich an den Plan halte.

Damit habe ich es sogar geschafft, die Mammutaufgabe der Woche, die Korrektur der Masterarbeit, entspannt zu erledigen. Und zwar, ohne eine Nacht dafür durchmachen zu müssen. Das ist mir mit derartigen Projekten nie zuvor gelungen.

Trotzdem ist natürlich auch das Timeboxing nicht der heilige Gral. An Tagen, in denen ich im Büro bin, funktioniert das für mich derzeit nicht. Ich sehe die Kollegen nur zweimal die Woche. Da will ich mir die soziale Interaktion nicht durch rigides Zeitmanagement beschneiden. Zeitmanagement soll mir ja schließlich Zeit für genau solche Wohlfühlmomente schaffen.

Deshalb sieht mein Kompromiss für die Zukunft so aus:

  • Klassisches Timeboxing an Homeoffice-Tagen beziehungsweise für große Projekte, die gestückelt werden müssen
  • Für Office-Tage: nur sehr grobes Time-Boxing á la „vormittags Marketing und Kommunikation“, „nachmittags Arbeit an Kundenprojekt XY“. Innerhalb dieser Blöcke arbeite ich mit einer To-Do-Liste, die ich mir aber anpasse: Aufgaben darauf versehe ich in Zukunft mit einer groben Aufwandsschätzung. So kann ich besser überblicken, wieviel tatsächlich sinnvollerweise auf die Tag-To-Do-Liste wandern kann.

Übrigens, ursprünglich kommt Timeboxing aus dem Projektmanagement. Du kannst es also auch für deine Projektplanung benutzen. Dann sind deine Zeitboxen eben nicht eine oder zwei Stunden lang, sondern gehen über Wochen oder sogar mehrere Monate.