Reflexion mit dem „Win of the week“

Reflexion mit dem „Win of the week“

Sinnvoll und regelmäßig zu reflektieren, ist schwieriger als es klingt. Ich hab jahrelang alle möglichen Techniken ausprobiert – ohne Erfolg. Bis ich von „Winning the week“ hörte. Seit mehr als einem Jahr identifiziere ich jetzt schon jede Woche ein „Win of the week“ und heute erzähle ich dir, wie das funktioniert und was ich dabei über mich gelernt habe.

Über die komplette Winning-the-week-Methode haben wir in einer früheren Magazin-Ausgabe schon mal geredet. In meiner eigenen Routine haben aber langfristig nur zwei kleine Bausteine daraus ihren Platz gefunden: Das Ansehen der nächsten 4 Wochen während der Wochenplanung und das Identifizieren meines „Win of the week“ während der Wochenreflexion.

Und letzteres hat für mich endlich mein Problem mit der Reflexion insgesamt gelöst.

Wie Reflexion aussehen kann

Die (Wochen)Reflexion ist Bestandteil der meisten guten Selbstmanagement-Methoden. Auch „Getting Things Done“ und die „Bullet Journal Methode“, nach denen ich vor allem arbeite, sehen eine solche Reflexion vor. Das Problem: Die meisten Methoden sagen dir, DASS und WARUM du reflektieren sollst (und das ist völlig einleuchtend), aber kaum eine verrät dir, WIE du sinnvoll reflektierst.

Ich hab über die Jahre alles mögliche ausprobiert:

  1. Reflexionsfragen
  2. Dankbarkeitstagebuch
  3. Trennung zwischen organisatorischer und persönlicher Reflexion
  4. Emotion-Check-ins
  5. Morning Pages/Assoziatives Schreiben

Alle Methoden haben ihren Charme und alle haben mir geholfen – aber meist nur punktuell und nur kurzfristig. Keine habe ich lange und/oder regelmäßig durchgezogen. Zu aufwändig. Oder zu „sinnlos“ – weil ich nicht wusste, wie ich das, was ich da reflektiert habe, nutzen kann.

Was ich über Reflexion gelernt habe

Grundsätzlich habe ich aber während dieser laaaaaaaaaaaaaaaaaaangen Trial-and-Error-Phase ein paar Dinge gelernt, die dir vielleicht auch helfen, wenn du gerade Probleme mit der Reflexion hast:

  1. Du brauchst ein Ziel, sonst reflektierst du dich dusselig und am Ende kommt nichts dabei rum. Es ist ein Unterschied, ob du mit deiner Planung unzufrieden bist oder einen besseren Zugang zu deinen Gefühlen bekommen willst. Bei beidem kann Reflexion helfen, aber du musst jeweils ganz andere Fragen stellen, um gute Antworten zu finden, mit denen du an deinem jeweiligen Problem (weiter)arbeiten kannst.
  2. Regelmäßigkeit ist auch bei der Reflexion ausschlaggebend, um Fortschritt zu sehen und dich zu entwickeln. Aber „regelmäßig“ muss nicht „täglich“ bedeuten.
  3. Reflexion muss nicht schriftlich passieren. Wenn dein Kopf aber funktioniert wie meiner und von der Frage nie bis zur Antwort kommt, weil er sich vorher ablenken lässt, ist schriftlich vielleicht die einzige Methode, die für dich funktioniert (oder du nimmst dir selbst eine Sprachnachricht auf).
  4. Reflexion muss nicht bierernst, sondern darf unterhaltsam sein. Deshalb habe ich zum Beispiel ein Reel und ein Glücksrad mit Reflexionsfragen erstellt. Ein bisschen Gamefication schadet nie, wenn es darum geht, dran zu bleiben.

Warum Reflexion für mich nie funktionierte

Ich habe bei meiner Reflexion jahrelang vor allem auf das Problem und seine Ursachen geschaut. Aber ich habe so gut wie nie die Auswirkungen auf meinen Alltag wirklich unter die Lupe genommen. Deshalb fühlte sich diese Art der Reflexion oft so nutzlos an. Denn oft ist das WARUM nicht halb so wichtig wie das WAS und das WIE.

Du kannst dir das vorstellen wie beim Kochen. Wenn dein Essen langweilig schmeckt, musst du natürlich herausfinden, woran das liegt, wenn du es ändern willst. Aber wenn du merkst, dass dir die Nudeln mit echter Sahne in der Soße besser schmecken, musst du nicht recherchieren, wie Fett an deinen Geschmacksrezeptoren wirkt. Es reicht zu wissen, dass du dein Problem lösen kannst, indem du mit mehr Fett kochst – und dass du mit der Menge experimentieren musst, um eine einigermaßen gute Balance zwischen gesund und lecker zu erhalten.

Und genauso ist das auch bei vielen Problemen mit der Selbstorganisation und deiner Planung. Ich habe zum Beispiel ein riesiges Problem mit dem Anfangen. Und ich habe Monate damit verbracht, herauszufinden, was genau mich am Anfangen so stört. Vollkommen umsonst! Das Warum in meiner Gehirnchemie hilft mir nicht, das Problem zu lösen. Was mir hilft, ist mehr Puffer in meiner Planung und künstlicher Druck durch Fake-Deadlines. Denn mein „Problem“ mit dem Anfangen ist an sich ja nicht das Problem – sondern der Stress, der sich in der Folge daraus ergibt.

Wie der „Win oft he week“ meine Reflexion verändert hat

Und genau da hat die Reflexion mit dem „Win of the week“ (dtsch: Gewinn der Woche) seine große Stärke.

Die Methode ist einfach und schnell. Am Ende jeder Woche fragst du dich, was du diese Woche gemacht, gelernt oder erlebt hast, dass dir dein Leben leichter machen würde, würdest du es in Zukunft häufiger so machen.

Pro-Tipp: Wenn dein Gehirn auch arbeitet, als liefe bei dir ständig „Und täglich grüßt das Murmeltier“, gewöhn dir an, im Daily Notizen zu machen. Schreib dir also auf, wenn etwas besonders gut oder schnell funktioniert oder dir besonders viel Spaß macht (und warum). Ich gehe am Ende der Woche meine Dailies durch und bin jede Woche aufs Neue überrascht, was für wichtige Erkenntnisse ich innerhalb von nicht mal 48 Stunden komplett vergessen kann.

Damit beim Notieren des „Win of the week“ wirklich gute Laune aufkommt (na gut, und damit ich sie alle schneller wieder finde), habe ich mir einen Party-Sticker erstellt.

Den füge ich am Ende der Woche unter meinem letzten Daily im Bullet Journal ein und notiere mir meine wichtigste Erkenntnis, meinen „Gewinn“ dieser Woche. Dabei wiederholen sich Dinge manchmal und manche sind mir auch einfach zu privat, um sie hier zu teilen. Aber über die letzten fast 60 Wochen sind doch ein paar Erkenntnisse zusammen gekommen, die mir geholfen haben, mich in Sachen Zeit- und Selbstmanagement weiterzuentwickeln, aber auch, mich einfach besser kennenzulernen.

Meine Wins of the week aus dem Bereich Planung und Organisation

  • Aufgaben nicht nur nach Zeitaufwand planen, sondern auch Energieaufwand mit einbeziehen (nicht immer identisch!)
  • Planung mit viel Struktur macht mich produktiver, aber sobald etwas dazwischen kommt, folgt „Jetzt ist auch schon egal“. Was hilft: In der Wochenplanung Blöcke für Unerwartetes einplanen (leere Zeitblöcke)
  • Das Magazin muss nicht zwingend am letzten Tag des Monats fertig sein – unnötiger Stress.
  • 5-Minuten-Morgenroutinen geben mir wachen, produktiven Start und ich kann dranbleiben, weil sie modular aufgebaut ist. Erlaubnis, Teile wegzulassen, ist dem System eingebaut und damit kommt kein „eh egal“-Gefühl mehr auf, wenn die Zeit zu knapp ist für die vollständige Routine
  • 3-spaltiges Daily-Layout schafft viel mehr Überblick, motiviert zu Reflexion und bietet genug Platz für alles
  • Ich brauche eine Ablauf-Tagesplanung, mit unsortierter To-Do-Liste kickt die Paralyse stärker
  • Tagesplanung muss abends erfolgen, sonst mache ich es den ganzen Tag nicht, aber ich muss sie morgens dringend noch mal durchgehen, bevor ich was anderes mache, weil ich über Nacht den ganzen Plan wieder vergessen habe

Meine Wins of the week aus dem Bereich Energie und Erschöpfung

  • Energiemanagement ist für mich wichtiger als Zeitmanagement. Ich brauche: eine ordentliche und saubere Umgebung, Sport und Bewegung, ausreichend Zeit ganz allein
  • Gehe ich nach 1 Uhr ins Bett, bin ich wieder zu wach zum schlafen
  • Blaues Licht vorm Schlafen stört TATSÄCHLICH mein Einschlafen
  • Zu wenig Schlaf bzw. zu spät ins Bett verstärkt alle Krankheitssymptome: Migräne, Gelenkschmerzen, Sportbelastungsgefühl, Schwindel, Übelkeit, ADHS
  • Zu wenig und schlechter Schlaf wirkt sich negativ auf alles aus: Produktivität, Laune, Leistungsfähigkeit, Ernährung, Konfliktverhalten, Prokrastination
  • 8 Stunden Schlaf oder mehr: ADHS-Symptome werden viel besser, aber körperlich fühle ich mich abgeschlagen. Perfekt: Zwischen 7 und 8 Stunden
  • Brauche einen Rückzugsort, den niemand Fremdes ohne Erlaubnis betreten kann, um mich zu erholen
  • Tiefenreinigung der Räume inkl. Fenster tut mir so gut: stolz beim Erledigen und äußere Sauberkeit wischt auch Gehirn durch
  • Ruhiger Abend und persönliche Gespräche mit (wenigen) engen Menschen hilft mir überraschenderweise doch Kraft zu tanken
  • Reminder: Ich kann die Zeitplanerin jederzeit zurückfahren, wenn ich mehr Ruhe und Freiraum brauche und die Welt bricht nicht zusammen und niemand ist enttäuscht

Meine Wins of the week aus dem Bereich Arbeit und Produktivität

  • Direkt und ausführlich mitschreiben, wenn Arbeitsaufträge besprochen werden, auch wenn alles ganz logisch klingt – ich vergesse so viel mehr, als ich denke und muss dann immer nachfragen
  • Anziehen und fertig machen im Homeoffice – macht mich produktiver und besser gelaunt
  • Endel – bester Sound, um schnell in den Fokus zu kommen und zu bleiben
  • Mit Timer arbeiten, macht mich produktiver, weil es mich weniger anfällig für Ablenkungen macht
  • Coworking ist stärkstes Werkzeug gegen Prokrastination – bleibt auch bei täglicher Anwendung effektiv, aber Motivation sinkt dann
  • Mein Problem ist es, die Schwelle von einer Aufgabe zur anderen zu überspringen. Was hilft: Ertappen und im Kopf einen Hochsprung visualisieren diese Schwelle zu überspringen.
  • Nervige Aufgaben in Zeitrahmen legen, in denen sie sicher nicht zu schaffen sind, erleichtert mir das Anfangen und verhindert das Ausbrennen (normalerweise ziehe ich aus Angst, nicht noch mal ins Tun zu kommen, durch bis etwas fertig ist oder ich wirklich nicht mehr kann aka ausgebrannt bin)
  • Schnelle, sichtbare Erfolge geben mir an der Arbeit mehr als langfristige, detaillierte Großprojekte, auch wenn die interessanter sind

Meine Wins of the week aus dem Bereich Persönlichkeitsentwicklung

  • Klar kommunizieren, wenn ich etwas nicht will, ist erlaubt. Leute sind nicht sauer und akzeptieren höfliche Grenzen
  • Konfrontationen lösen immer Schuld und Scham und die Angst aus, nicht mehr gemocht zu werden – selbst bei Fremden und Personen, die ich nicht mag
  • Schwierige Gefühle zulassen, durchfühlen, beobachten ist viel effektiver als sie wegzudrücken oder mir selbst einen Tschakka-Schubs zu verpassen. Die Gefühlen setzen sich nicht fest und werden verblüffend schnell von selbst leichter
  • Auf Fragen, die nach Angriff oder Kritik klingen, mit einer Nachfrage reagieren – deeskaliert und klärt mögliche Missverständnisse
  • Selbstfürsorge/-akzeptanz und Selbstoptimierung schließen sich nicht aus – wichtig ist, ob die Beurteilung von innen oder außen kommt
  • Schriftliche Reflexion in Echtzeit hilft mir, Gefühle besser zu prozessieren

Übrigens, diese 4 Kategorien habe ich nicht vorher festgelegt. Ich habe einfach alle Wins gesammelt und dann sortiert. Dabei stellte sich heraus, dass sie alle in eine dieser Kategorien passen (plus Kategorie „Beziehung/Ehe“, aber wie gesagt: zu privat, um das hier zu teilen).