200 Folgen Zeitplanerin-Podcast: meine Geschichte

200 Folgen Zeitplanerin-Podcast: meine Geschichte

Als im Dezember 2020 meine erste Podcast-Folge online ging, wollte ich eigentlich nur endlich wieder etwas Kreatives machen. Und Podcast ausprobieren. Und jetzt stehe ich hier, 4 Jahre und 199 Podcast-Folgen später, lebe ein ganz neues Leben und das vor allem wegen der Zeitplanerin. Hier kommt meine Geschichte.

Kurz vor Weihnachten 2020 saß ich bei meinen Eltern im alten Kinderzimmer meiner Schwester und war ziemlich am Ende. Ich hatte im August jobtechnisch alles über den Haufen geworfen, worauf ich fast 20 Jahre hingearbeitet hatte. Vom Journalismus und der PR-Beratung war ich in die IT gewechselt.

2020 am Tiefpunkt

Ich hatte es so satt, mich ständig dafür verteidigen zu müssen, für etwas Geld zu nehmen, dass „der Enkel meiner Nachbarin, der auch Deutsch-Leistungskurs hatte, aber für die Hälfte macht.“ Und ich war es so leid, mit fast 20 Jahren Berufserfahrung nur etwas mehr als die Hälfte dessen zu verdienen, was in anderen Branchen Einstiegsgehälter waren.

2020 arbeitete ich zwar nicht mehr selbstständig, aber immer noch in einer ziemlich mies bezahlten Festanstellung. Leider war das in der Branche durchaus üblich. In den fast 10  Jahren davor, in der Selbstständigkeit, hatte ich aber nicht mal die Sicherheit einer Festanstellung. Damals habe ich 7 Tage die Woche gearbeitet – um am Ende gerade so die Miete und die Fixkosten bezahlen zu können.

Außerdem setzte es mir zu, dass ich nie wusste, ob das, was ich den ganzen Tag recherchierte, schrieb und veröffentlichte, überhaupt jemanden erreichte. Las jemand meine Beiträge? Haben sie geholfen? Berührt? Wenigstens unterhalten? Es klingt absurd, aber Journalismus kann sich ganz schön einsam anfühlen und Selbstwirksamkeit erarbeitet man sich damit auch nicht.

Ich wollte Geschichten schreiben, seit ich 14 war. Aber mit 37 hatte ich keine Kraft und keine Lust mehr, mich für diesen Traum bis zur Erschöpfung aufzureiben. Ich hatte in den Jahren davor schon immer mal wieder in die IT-Beratung schnuppern können, weil Freunde in dem Bereich selbstständig waren. Und als die mir anboten, bei ihnen anzufangen und mich auszubilden, griff ich zu.

Neuer Job, schwieriger Start

Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Nur die Versicherung, dass ich das schaffen würde, von Menschen, die mich gut kannten. Und den Willen, endlich einen Job zu machen, der auch finanziell wertgeschätzt wird.

Kleiner, aber netter Nebeneffekt: Wenn mich heute jemand fragt, was ich beruflich mache und ich antworte: „Ich bin SAP-Berechtigerin“ kriegen alle glasige Augen. Niemand will mit mir über die Lage und die Fehler der Branche und meinen persönlichen Nutzen diskutieren oder mir sagen, womit ich mich beruflich endlich mal beschäftigen müsse. Heute genieße ich meinen nicht mehr so neuen neuen Job sehr.

Im Dezember 2020 sah das allerdings ganz anders aus. 5 Monate in der Vollzeit-Ausbildung und ich zweifelte an allem, was ich von mir und über mich zu wissen glaubte. Mir war Wissen und Können mein Leben lang zugeflogen. Jetzt musste ich zum ersten Mal kämpfen. Ich hatte das Gefühl, ich bin zu dumm, um auch nur die Basis zu verstehen.

Mein Leben lang war ich stolz auf meine Fähigkeit, mit Sprache zu arbeiten. Und plötzlich verstand ich meine eigene Muttersprache nicht, weil die IT und die Kommunikation so unterschiedliche Kommunikationsmuster haben.

Abbrechen oder Ausgleich: Geburt der Zeitplanerin

Anfangs versuchte ich, dem Prozess zu vertrauen. Klammerte mich an die Versicherung, dass das jedem Quereinsteiger so ginge. Aber nach 5 Monaten war ich am Ende: keine Energie, kein Selbstvertrauen, keine Hoffnung mehr.

Ich sah damals 2 Möglichkeiten: Abbrechen und wieder einen schlechtbezahlten oder selbstständigen Kommunikationsjob suchen oder durchziehen, aber in der Freizeit etwas aufbauen, das mir Energie und Selbstvertrauen zurückgab. Ich brauchte wieder einen kreativen, kommunikativen Ausgleich zur IT. Das war ja immer noch mein Traum. Ich wollte damit nur kein Geld mehr verdienen müssen. Und so entstand die Zeitplanerin. Zunächst mit dem Blog und dem Podcast.

Zeitplanerin-Podcast – die Anfänge

Anfangs stellte ich darin einfach nur Methoden, Strategien und Werkzeuge vor, die versprachen, unser Zeit- und Selbstmanagement zu verbessern. Alles Dinge, die ich in den letzten 10 bis 15 Jahren selbst ausprobiert hatte.

3 Burnout-Diagnosen (zum Glück immer vor dem Zusammenbruch diagnostiziert) kurz hintereinander, meine permanente Aufschieberei, der Stress durch das Alles-auf-den-allerletzten-Drücker-machen – all das hatte mich über Jahre so aufgefressen, dass ich verzweifelt die eine Methode suchte, die mich endlich zu einem organisierteren Menschen machen würde.

Side-Joke: Alle anderen hielten mich für super organisiert, weil ich selten einen Termin vergaß und in der Regel auch ohne Vorbereitung schnell die wichtigsten Themen identifizieren und dann Gespräche darüber leiten konnte. Dass das aber kein Talent, sondern rigorose, exzessive Regulation und ständige Selbstkontrolle bedeutet, sah natürlich keiner.

Ich war mir sicher, dass das leichter, irgendwie selbstverständlicher gehen musste. Immerhin gab es Leute in meinem Umfeld, die nicht mal einen Kalender besaßen und trotzdem nie einen Termin oder eine Deadline vergaßen.

Aber was ich auch ausprobierte: Nichts funktionierte länger als ein paar Wochen, wenn überhaupt. Ich hatte also viel, sehr viel, Erfahrung, die ich im Podcast teilen konnte.

Das erste Jahr lief schleppend. Kaum Hörer, so gut wie keine Rückmeldungen. Aber ich hatte mein Medium für mich entdeckt. Ich hatte so viel Spaß am Podcasten und sogar wieder am Schreiben, dass mir fast egal war, ob ich das nur für mich allein machte oder nicht. Und es erfüllte seinen Zweck. Mit der Zeitplanerin als Nebenprojekt hatte ich die Kraft, mich durch die harten ersten Monate im neuen Job zu kämpfen, dran zu bleiben, zu vertrauen – und am Ende da anzukommen, wo ich heute bin.

Die Zeitplanerin-Experten-Interviews

Nach einiger Zeit führte ich Experten-Interviews ein. Das erste mit Sandra Reekers, die über Zeitmanagement für Scannerpersönlichkeiten sprach. Ich fühlte mich davon schon eine Weile angesprochen (spürte aber auch, dass es nicht 100 % passte). Es folgten Themen wie „Zeit für Sport“ oder „Zeit für Selbstfürsorge (Yoga)“ und natürlich „Schnell und einfach eine saubere Wohnung.“ Und irgendwann interviewte ich Gerrit Reitze. Gerrit ist Lehrer, war wegen einer Depression aus dem Schuldienst ausgeschieden und hatte kaum noch Hoffnung, daran noch mal etwas zu ändern. Bis er mit über 30 mit ADHS diagnostiziert wurde.

Geplant war ein Interview darüber, wie Zeitmanagement aussehen kann, wenn man kein Gefühl für Zeit hat – weder dafür, wie viel vergangenen ist, noch dafür, wie viel noch bleibt oder wie lange etwas dauern wird. Am Ende war es weniger ein Interview und mehr eine einstündige riesige Erkenntnis – für mich. Mein häufigster Satz in dieser Podcastfolge: „Das kenne ich auch!“

Meine ADHS-Diagnose

Kurz danach habe ich mich in die Recherche gestürzt: ADHS bei Erwachsenen, ADHS bei Frauen, ADHS allgemein. Und schnell versuchte ich auch, selbst einen Termin für die Diagnostik zu bekommen.

„Versuchen“ blieb dabei lange das Schlüsselwort, denn zunächst kassierte ich überall Absagen: Ich wohne nicht im Einzugsgebiet, man habe derzeit keine Diagnostiker, die Wartelisten seien so lang, dass sie geschlossen werden mussten… Einzige Chance damals: Privatzahler. Für 450 Euro hätte ich eine Diagnostik haben können. Aber ich fühlte mich abgezockt und wenn, dann wollte ich eine ernsthafte, umfangreiche Diagnostik.

Nach etwas mehr als einem Jahr hatte ich Glück und bekam einen Platz in einer Spezialambulanz. Der Prozess war lang, langwierig und hat mich immer wieder hin- und hergeworfen zwischen „Ich bin ganz sicher, dass ich ADHS habe“ und „Ich kann kein ADHS haben!“ Am Ende stand die Diagnose: ADHS, gemischter Typ, leichte bis mittelschwere Ausprägung.

Und plötzlich passte alles zusammen: Die Aufschieberei, das Alles-auf-den-letzten-Drücker-machen, die extrem mühevolle Selbstorganisation und auch ein paar Dinge, von denen ich nie dachte, dass sie dieselbe Ursache haben wie mein schlechtes Zeitmanagement.

Meine Impulsivität zum Beispiel, die dafür sorgte, dass ich auch mit fast 40 kaum nennenswerte Ersparnisse hatte und häufig erst redete und dann dachte. Oder mein Unwille, mit meinem Mann Filme zu schauen, weil das lange Stillsitzen und Nichts-nebenbei-machen-dürfen so anstrengend war. Oder mein exzessiv (zu) spätes Zu-Bett-gehen.

Zeit- und Selbstmanagement mit ADHS

Und plötzlich war auch klar, warum all die Methoden, Tools und Werkzeuge, die ich ausprobiert hatte, mein ganz persönliches Zeitmanagement nicht verbessern konnten. Wenn Unorganisiertheit, Faulheit oder Disziplinlosigkeit nicht die Ursache sind, können noch mehr Regeln, noch mehr Planung und noch mehr Kontrolle nicht die Lösung sein.

Ich fing also an, zu recherchieren, warum manche Dinge mit einem ADHS-Gehirn nicht so einfach funktionieren – und was helfen könnte. Die Zeitplanerin hatte damit einen ganz neuen Fokus. Meine Community wuchs immer mehr um andere Erwachsene, die wussten oder glaubten, ADHS zu haben und endlich ihr fehlendes Puzzlestück fanden.

Und ich selbst? Für mich hat sich seit der Diagnose so viel verändert – und fast alles zum Besseren. Ich werde aus meinem Umfeld oft gefragt, warum ich eine Diagnose brauche (zumal ich mich gegen Medikamente entschieden habe). Und meine Antwort ist immer dieselbe: Validierung und eine Abkürzung bei der Lösungssuche.

Innere Ruhe und Gelassenheit

Eine Diagnose bestätigt ganz offiziell mein vages Gefühl. Ich fühle mich nicht mehr wie eine Betrügerin, wenn ich behaupte, ADHS zu haben. Aber viel wichtiger für mich war, dass ich endlich wusste, was ich konkret googlen musste, um Lösungen für meine Probleme zu finden, die auch wirklich für mein Gehirn funktionieren. Die meisten Zeitmanagement-Ratgeber sind nämlich aus neurotypischer Sicht geschrieben.

Aber die vielleicht größte Erleichterung ist der innere Friede, den ich inzwischen habe. Zu wissen, dass mein Gehirn anders verdrahtet ist, hilft enorm, mich selbst zu akzeptieren. Zu wissen, dass ich weder faul, noch undiszipliniert bin und mich nicht „einfach zusammenreißen“ kann, hilft, liebevoller und wohlwollender mit mir selbst umzugehen. Und das hat mein Zeit- und Selbstmanagement mit Abstand am meisten verbessert.

Ich weiß jetzt sehr genau, was mein Gehirn nicht gut kann – und worin es brilliert. Und das bedeutet, dass ich mir meine Umgebung und meine Struktur so aufbauen kann, dass ich möglichst viel von meinen Stärken ausspiele. Früher habe ich stattdessen einen ständigen Kampf gegen meine Schwächen geführt.

Zeitplanerin mit neuem Schwerpunkt

4 Jahre und 200 Folgen Zeitplanerin-Podcast. Eine Community, die sich inzwischen auf Instagram und Discord findet, einen Youtube-Kanal, ein monatliches Magazin, ein zweiwöchentliches Coworking, eine Bullet-Journal-Challenge und der Blog. Was als  Selbstvertrauensboost begann, fühlt sich heute manchmal wie ein kleines Imperium an (eins, das kein Geld verdient – aus Gründen, die du in einer eigenen Podcast-Folge nachhören kannst). Ich habe begonnen, weil ich anderen helfen wollte, die ähnliche Schwierigkeiten hatten wie ich. Und am Ende habe ich mir am meisten selbst geholfen. Danke, liebe Zeitplanerin!