Experiment Coworking: 5 Tage, 5 Stunden Deep Work

Experiment Coworking: 5 Tage, 5 Stunden Deep Work

Alle zwei Wochen Donnerstag ab 20 Uhr 4 Pomodori auf Zoom – das ist das Zeitplanerin-Coworking. Eigentlich. Jetzt im Mai hatte ich mit dem gebrochenen Fuß viel Zeit und wollte testen, ob das Coworking so effektiv bleibt, wenn man es häufiger nutzt. Um genau zu sein täglich. 5 Tage lang habe ich jeweils 50 Minuten zum Coworking auf Discord eingeladen. Und das waren die Ergebnisse.

Der wichtigste Triumph zuerst: Ich war bei keinem einzigen Coworking-Termin allein. Das verbuche ich als großen Gewinn, denn immerhin fanden die Termine nicht wie gewohnt auf Zoom, sondern auf Discord statt. Und nicht jeder mag sich mit einer weiteren Plattform herumschlagen.

Und zweitens fanden die Termine um 13 und 15 Uhr statt, also zu einer Zeit, die für Berufstätige schwer zu realisieren ist. Ich wusste das vorher. Aber abends schmerzt der Fuß und für dieses Experiment wollte ich meinen Modus Operandi „die Bedürfnisse der anderen kommen vor meinen“ bewusst durchbrechen. Aber ich kann dir sagen: Die Nachrichten, in denen ihr mir geschrieben habt, dass ihr gern dabei wärt, aber zu der Zeit leider nicht könnt, waren nur schwer auszuhalten. Mein erster Reflex bei sowas ist nämlich immer, es dann doch irgendwie für alle möglich machen zu wollen.

Aber zurück zum Experiment: Sowas braucht natürlich eine Hypothese. Meine lautete: Wenn ich das Coworking täglich veranstalte, nutzt sich der Effekt für mich ab und ich arbeite nicht mehr so fokussiert wie im zweiwöchentlichen Termin. Ob das stimmte, verrate ich dir am Ende.

So entstand die Idee

Die Idee zum täglichen Coworking ist übrigens nicht von mir. Ich hatte mir – auch für sowas hatte ich Zeit – ein Webinar von Mani Vaya, dem Gründer von 2000books, angesehen. Der verkauft das Coworking als Membership. Man kann also Mitglied werden (für knapp 1000 $ im Jahr) und dafür von Montag bis Freitag 24 Stunden lang am Coworking teilnehmen, die von professionellen Coaches geleitet werden und in denen man sich immer für 1 Stunde verpflichtet. Mani Vaya selbst behauptet, er nutze das Coworking für jede Stunde seines Arbeitstages und hätte damit seine Ablenkungen so stark reduziert, dass er statt 11 nur noch 6 Stunden arbeiten müsse, um dieselben Dinge zu schaffen.

Die Idee fand ich spannend, aber die Frage für mich war: Funktioniert das auch mit ADHS-Gehirn? Sobald etwas zur Routine wird, wird meinem Hirn diese Sache ja sehr schnell sehr langweilig. So langweilig, dass ich sie nicht mehr mache. Das wären teure 1000 Euro (die ich so oder so nicht ausgeben würde, denn es gibt Alternativen – erzähle ich dir später noch!).

Aber die Infrastruktur für ein Zeitplanerin-Coworking existierte ja schon und das Interesse war auch da – das kann ich an den Teilnehmerzahlen des regulären Coworkings und euren Nachricht ablesen. Also habe ich spontan ein Experiment gestartet und euch davon sofort auf Instagram erzählt: Ab morgen biete ich täglich eine Stunde Coworking an. Auf Discord. 3 x allgemeines Coworking, 2 x Coworking mit einem thematischen Schwerpunkt.

Ablauf des täglichen Coworkings

An besagtem nächsten Morgen habe ich mich übrigens gefragt, was mich geritten hat, 6 Tage nach einer Fuß-OP ein Dauer-Coworking zu starten, statt einfach nichts zu tun.

Die Antwort war einfach: das Eichhörnchen. Das, das durch mein Gehirn hüpft und seit der OP Amok läuft, weil es für seine Unruhe kein physisches Ventil mehr hat. Ich bin zwar körperlich nicht extrem hyperaktiv, aber gewöhnlich verändere ich alle paar Minuten meine Sitzposition, sitze sogar auf dem Bürostuhl zusammengebrezelt mit verknoteten Beinen da, stehe ständig auf usw. Alles nicht möglich mit einem operierten Fuß, der in einem Stiefel steckt, der früher wohl mal einem Storm Trooper gehört hat. Also muss die Unruhe andere Ventile finden: Yeah, die Impulsivität hat Ausgang und feiert eine Party!

Aber was ich verspreche, ziehe ich durch, denn Zuverlässigkeit ist einer meiner wichtigsten Werte. Also fand das Coworking wie angekündigt statt:

  • 50 Minuten Deep Work ohne Unterbrechung
  • Vorher 5 Minuten, um die Aufgaben vorzustellen, die wir bearbeiten werden
  • Hinterher 5 Minuten, um zu besprechen, wie es gelaufen ist
  • Montag, Mittwoch und Freitag allgemeines Coworking
  • Dienstag Sondercoworking, in dem wir uns um nervige Kleinigkeiten kümmerten
  • Donnerstag Sondercoworking für Kreatives
  • Auf Discord statt Zoom (damit das bekannter und mehr genutzt wird und so hoffentlich auch zu mehr Teilnahme an den Diskussionen dort führt)

Wie ist das Coworking-Experiment gelaufen?

Und wie ist es nun für mich gelaufen? Der Montag war erwartbar großartig. Ich hatte ja schon länger kein Coworking mehr, weil immer was dazwischen kam, und wie immer hat die (kleine) Gruppe und der fixe Termin dafür gesorgt, dass ich sofort ins Tun gekommen bin und überhaupt kein Problem mit Ablenkungen hatte. Im Laufe der Woche wurde das schwieriger für mich. Aus dem Experiment, auf das ich neugierig war, wurde mit der Zeit eine Verpflichtung, auf die ich nicht immer Lust hatte.

Überraschenderweise änderte das aber nichts am Effekt. Weil tatsächlich jeden Tag mindestens ein anderer Teilnehmer dabei war, fanden alle Coworkings statt. Und damit hatte ich die Verbindlichkeit, die ich brauchte, um anzufangen. Zwar musste ich mich zunehmend mehr anstrengen, um mich nicht selbst abzulenken. Aber die angeschalteten Kameras haben geholfen – auch wenn ich auf dem Tablet im Splitscreen oft nur die Decken und Wände der anderen Teilnehmer gesehen habe.

Am Ende habe ich in den 5 Stunden des Coworkings:

  • Alle drei großen Beiträge für das Mai-Magazin geschrieben und Korrektur gelesen
  • Jede Menge Mails beantwortet, von denen ich fast schon vergessen hatte, dass ich sie noch beantworten muss
  • Berge von Orga-Kram rund um die Fuß-OP und die Nachsorge erledigt
  • Podcasts vorbereitet
  • Das grobe Layout des Mai-Magazins erstellt

Ich habe bei jedem Termin konzentriert durchgearbeitet. Die 50 Minuten, die ich gern als Alternative zu unseren üblichen 25-Minuten-Pomodori testen wollten, haben gut funktioniert – zumindest fürs Schreiben. Den Kleinkram hätte ich lieber in kleineren Zeiteinheiten mit Pausen dazwischen bearbeitet. Auch eine Erkenntnis.

Die wichtigste Erkenntnis für mich ist aber: Coworking zu einem verbindlichen Zeitpunkt ist für mich die effektivste (vielleicht einzige?) Möglichkeit, mein Problem mit dem Anfangen in den Griff zu bekommen.

Gibt es das Coworking jetzt häufiger?

Wenn die Erfahrung also so überwiegend positiv war: Gibt es das Zeitplanerin-Coworking jetzt häufiger? Nein. Jedenfalls nicht regelmäßig. Das kann ich nicht leisten und schon nach einer Woche merkte ich, dass meine Motivation leidet. Das will ich aber auf jeden Fall verhindern, denn das Coworking ist, wie gesagt, meine beste Waffe gegen die Prokrastination.

Es wird also weiter jeden zweiten Donnerstag ab 19 Uhr das Zeitplanerin-Coworking auf Zoom geben. Aber: Ich werde in Zukunft häufiger spontan Coworkings auf Discord veranstalten. Immer wenn ich das Bedürfnis danach und die Zeit dafür habe. Ich versuche, das immer mit ein bisschen Vorlauf auf Instagram und Discord anzukündigen. Kann aber auch sein, dass ich einfach mal spontan auf dem Coworking-Channel vorbei schaue und hoffe, dass jemand anderes gerade online ist und sich spontan anschließt.

Und während wir auf Zoom bei den 25-Minuten-Einheiten bleiben, werde ich auf Discord jedes Mal mit euch gemeinsam entscheiden, welche Dauer wir für die Arbeitseinheiten gerade brauchen und wollen.

Fazit zum Experiment tägliches Coworking

Moment, da war doch noch was! Was ist denn nun mit der Hypothese vom Anfang des Experiments? Zur Erinnerung, sie lautete: „Wenn ich das Coworking täglich veranstalte, nutzt sich der Effekt für mich ab und ich arbeite nicht mehr so fokussiert wie im zweiwöchentlichen Termin.“

Die habe ich widerlegt. Der Effekt des Coworkings nutzt sich tatsächlich nicht ab. Auch für mein Eichhörnchen-Gehirn nicht. Sehr wohl aber die Motivation. Und das wird ein Problem. Deshalb sind tägliche Coworkings eher nichts für mich (Puh, 1000 $ im Jahr gespart!).

Aber wenn du (wie ich) in Zukunft gern häufiger als zweimal im Monat und vielleicht auch zu anderen Zeiten coworken würdest, dann habe ich hier Alternativen für dich zusammengefasst (die keine 1000 $ im Jahr kosten):

Zeitplanerin Coworking-Discord-Channel: kostenlos, Discord kannst du sowohl am Rechner wie auf Mobilgeräten nutzen, in den Channel kommst du nur über den Link, keine regelmäßigen Coworking-Zeiten, du kannst den Space aber auch jederzeit selbst für Coworking-Verabredungen nutzen (Gib den Link einfach weiter)

Focus Mate: Website, bei der du dich jederzeit mit anderen Nutzern aus aller Welt zum Coworken treffen kannst, bis zu drei Coworkings pro Woche sind kostenlos, Englisch ist die Hauptsprache, du kannst unterschiedlich lange Coworking-Sessions auswählen

Coworking Spaces: Wer lieber in der echten Welt coworken will, kann sich in einem Coworking Space einmieten. Die gibt es in jeder größeren Stadt – mal mehr, mal weniger schön – und du kannst dir dort stunden- oder tageweise einen Arbeitsplatz oder sogar ein ganzes Büro mieten. Weil das viele andere auch machen und die Arbeitsplätze in der Regel in großen Räumen stehen, entsteht eine Coworking-Atmosphäre, aber du hast weniger Verbindlichkeit, weil ihr nicht im selben Rhythmus arbeitet und euch vorher auch nicht gegenseitig mitteilt, woran ihr wie lange arbeiten wollt.