Eliminiere die Störenfriede

Um in den Flow zu kommen, musst du Unterbrechungen und Ablenkungen so weit wie möglich ausschließen. Doch das ist im Arbeitsalltag gar nicht so einfach. Wie du die häufigsten Störenfriede in den Griff bekommst, liest du heute hier.

Kennst du das? Du hast dir vorgenommen, endlich konzentriert an diesem einen Projekt zu arbeiten. Du hast deinen Schreibtisch so eingerichtet, dass du produktiv arbeiten kannst. (Und dort übernachten, so viele Snacks und Getränke stehen bereit.) Doch kaum willst du anfangen, kommt wieder jemand oder etwas, das dich unterbricht.

Egal, ob du im Homeoffice oder in der Firma arbeitest: Ablenkung, Störungen und Unterbrechungen bleiben mit die größten Stressfaktoren. Aber ich verrate dir was: Die meisten davon sind selbstgemacht. Das ist eine eher unbequeme Wahrheit. Wer will sich schon gern eingestehen, dass er insgeheim nach Unterbrechungen sucht, sie regelrecht anzieht? Aber sehr oft sind die Maßnahmen gegen bestimmte Störfaktoren sehr einfach. Es gibt also nur eine Erklärung, warum wir sie nicht ergreifen: Wir WOLLEN nicht störungsfrei arbeiten.

Wir wollen beim Arbeiten gestört werden

Damit die Ausrede für dich an Kraft verliert, verrate ich dir gleich ein paar einfache Kniffe. Aber vorher: Lass uns doch mal gemeinsam ein paar Minuten überlegen, was es uns bringt, uns ständig stören zu lassen!

Klingt absurd, aber wenn wir die Störungen nicht aktiv ausschalten, müssen wir einen Nutzen davon haben. Einen Nutzen, der größer ist als der, den störungsfreies Arbeiten uns bietet. Also lohnt es sich, genauer hinzusehen.

Ich lasse mich etwa fast ausschließlich bei Arbeiten unterbrechen lasse, die ich nicht mag oder die mich verunsichern. Aufgaben, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich ihnen gewachsen bin. Oder solche, die mich langweilen. Oder die, die mich stressen, weil sie so umfangreich oder komplex sind. Folglich gewinne ich emotional, wenn ich mich ständig stören lasse. Dann liegt es nicht an mir, sondern an den Umständen, dass ich die Aufgabe schon wieder nicht angegangen bin. Das kann man mir nun wirklich nicht vorwerfen. (Aber ich laufe auch nicht Gefahr, einen Fehler zu machen. Und: Wer nichts macht, macht auch keine Fehler!)

Hinterfrag also mal, warum du zulässt, dass man dich unterbricht, wenn du eigentlich konzentriert arbeiten müsstest. Die folgenden Fragen können dir dabei vielleicht einen Anhaltspunkt liefern:

  1. Hast du Angst vor der Aufgabe?
  2. Langweilt dich die Aufgabe?
  3. Überwältigt dich die Aufgabe?
  4. Ist die Aufgabe zu schön und du willst verhindern, zu schnell damit fertig zu werden?
  5. Fehlen dir Informationen, um die Aufgabe abzuarbeiten (und ist es dir vielleicht peinlich, danach zu fragen)?
  6. Findest du die Aufgabe dumm/überflüssig, bist aber gezwungen sie zu machen? (Etwa, weil du deinen Chef nicht überzeugen konntest, dass sie einfach entfallen kann.)

Finde die Strategie, die dir hilft, Störungen ausschließen

Wenn du deinen Grund oder deine Gründe gefunden hast, kannst du schauen, ob und wie du dir die Situation erleichtern kannst. Ich habe für mich zum Beispiel die „Straßenfeger“-Methode erfunden. Kennst du nicht? Kannst du auch nicht kennen. Offiziell gibt es die nämlich nicht (obwohl es sicher ein Dutzend Methoden mit demselben Vorgehen gibt, die einfach anders heißen). Ich habe sie in Erinnerung an den Straßenfeger in Michael Endes Buch „Momo“ so genannt.

Beppo, der Straßenfeger, erklärt Momo darin, wie er eine besonders lange Straße kehrt. Eine, die auf den ersten Blick nicht zu bewältigen ist: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten […] Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“

Genauso halte ich es mit Aufgaben, die mich langweilen oder überwältigen: Ich zerlege die Aufgabe. Dann überlege mir einen einzigen Schritt. Was ist der eine nächste Schritt, der mich dem Ende der Aufnahme jetzt näher bringt? Manchmal mache ich eine Liste mit allen notwendigen Schritten. Denn auch der Überblick kann heilsam sein – wenn man nämlich merkt, dass das gar nicht so überwältigend viel Aufwand ist. Aber grundsätzlich suche ich nur den einen, nächsten Schritt. Nur der kommt auf die To-Do-Liste des aktuellen Tages. Und ist er erledigt, kann ich die Aufgabe für heute erfolgreich abhaken. (Und trotzdem daran weiter arbeiten, wenn ich Blut geleckt habe.)

Auf diese Weise dauert es je nach Aufgabe eine ganze Weile, bis ich endlich fertig bin. Aber der Aufwand ist so klein, dass ich mich immer aufraffen kann. Ich muss also nicht nach Störungen suchen, um noch mal davon zu kommen.

Du kannst die „Straßenfeger“-Methode gern ausprobieren. Oder du findest eine ganz andere Strategie. Wichtig ist nur, dass DU dich so wohl mit der Aufgabe fühlst, dass du sie angehst. Ohne auf eine Unterbrechung zu hoffen.

Wie du die häufigsten Störenfriede eliminierst

So, wenn du bis hierher durchgehalten hast (und nicht „vorgespult“ hast 😉): Vielen Dank. Hier kommt deine Belohnung! Die einfachsten Tipps, um häufige Störenfriede ganz simpel auszuschalten oder zumindest zu minimieren.

Ah, du wolltest gerade anfangen. Wirklich, ganz im Ernst! Aber jetzt klingelt das Handy. Da musst du rangehen, könnte ja wichtig sein! Sei ehrlich: Kennst du? Dann kennst du mit Sicherheit auch die Lösung – die liest du nämlich in jedem Artikel über produktives Arbeiten, den du je in die Finger bekommen wirst: Schalt dein Handy aus oder in den Flugmodus! Das gilt übrigens auch für alle anderen Geräte, die dich damit gekoppelt sind wie Smartwatches, Tablets usw.

Wenn du natürlich Notärztin bist und Bereitschaft hast, ist das keine Option, aber das wird wohl nur die wenigsten betreffen. Und für alle anderen gilt: Nein, du wirst keinen lebenswichtigen Anruf und keine super-dringende Nachricht verpassen, wenn du eine Stunde oder auch zwei nicht erreichbar bist. Aber die Tatsache, dass es nicht ununterbrochen piept, klingelt oder brummt, gibt deinem Gehirn die Chance, wirklich in die Aufgabe einzutauchen und einen Flow aufzubauen.

Kleiner Tipp aus eigener Erfahrung: Wenn es dir wichtig ist, erreichbar zu sein, dann setz dir irgendwie eine Erinnerung, den Flugmodus wieder auszuschalten (zum Beispiel ein Post it an der Bürotür). Man gewöhnt sich nämlich sehr schnell an die wohltuende Ruhe und es kann dann schon mal sein, dass man abends auf der Couch merkt, dass das Handy seit 7 Stunden im Flugmodus ist :-D.

Hängt sehr eng mit dem ersten Punkt zusammen, aber nicht nur die Push-Benachrichtigungen am Handy sind ständige Unterbrechungen, auch die aufpoppenden Hinweise, Signaltöne oder auch nur rote Zähler im Browser-Reiter sind permanente Stressfaktoren, die dich nie und nimmer richtig in deine Aufgabe abtauchen lassen. Selbst wenn du nicht jedes Mal nachsiehst, was los ist, ist ein kleiner Teil deines Gehirns doch eine ganze Weile mit der Frage beschäftigt, was du wohl gerade verpasst.

Deshalb: Schließ alle Browserfenster, die du nicht dringend für deine aktuelle Aufgabe brauchst. Und wenn du schon mal dabei bist, deaktivier am besten auch gleich alle Benachrichtigungsfunktionen in den sozialen Netzwerken – egal, ob per Mail, mobil oder im Browser.

Eigentlich reicht es, wenn ich hier „siehe oben“ schreibe, aber da ich nicht weiß, ob du „oben“ wirklich gelesen hast oder direkt zu diesem Punkt gescrollt bist, noch mal: Jede Benachrichtigung – egal, ob visuell oder akustisch – reißt dich aus der Konzentration und verlangt deinem Gehirn eine Menge Energie ab, um wieder zum Fokus zurück zu finden.

SOS-Tipp: Schließ das Mail-Programm, solange du ernsthaft arbeitest.

Tipp für die längerfristige Planung: Versuch dir anzugewöhnen, das Mailprogramm nur zu festen Zeiten zu öffnen und dann konzentriert alle angefallenen Mails am Stück abzuarbeiten. So bist du konzentrierter bei den Mails, aber auch fokussiert bei den Aufgaben, die du den restlichen Tag so auf dem Zettel hast. Achtung: Wenn in eurem Unternehmen die Hauptkommunikation per Mail läuft, solltest du klar mitteilen, dass du nicht sofort antworten wirst und warum – und möglichst einen alternativen Kommunikationskanal für extreme Notfälle anbieten (das Telefon zum Beispiel).

Ja, Menschen können sehr anstrengend sein. Selbst wenn du sie wie verrückt liebst. Aber wenn die Kinder im Homeoffice im 20-Minuten-Takt deinen Arbeitsplatz stürmen, um dir die neusten Bilder zu zeigen, die sie gemalt haben oder der Lieblingsmann ausgerechnet dann wissen will, ob du noch irgendwo Hosen rumliegen hast, die er mitwaschen soll, wenn du gerade in den Flow gefunden hast, ist das sehr, sehr nervig. Nichts anderes ist es mit Kollegen, die ein inneres Radar zu haben scheinen für den denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

Eine Lösung: Führe feste Fokuszeiten ein oder ein Symbol, das auf den ersten Blick und von weitem klar macht, dass du gerade nicht gestört werden willst.

Feste Fokuszeiten könnte bedeuten, dass du allen relevanten Personen mitteilst, dass du werktags von 10 bis 12 und 14 bis 15 Uhr „Deep Work“ machst (Yeah, Buzzword-Bingo!). Du musst einmal klar machen, welche Zeiten das sind und was das bedeutet. Dass du in dieser Zeit nämlich nicht ans Telefon gehst, keine Mails und Chat-Nachrichten beantwortest und auch für die Familie nicht ansprechbar bist, es sei denn, es brennt.

Sehr wahrscheinlich wird es einige Wochen dauern, bis sich die Menschen in deinem Umfeld daran gewöhnt haben und auch wirklich nicht mehr stören in diesen Zeiten. Sei in dieser Übergangsphase unbedingt konsequent. Auch wenn dich das Klingeln des Telefons natürlich schon aus deiner Konzentration gerissen hat: Geh nicht ran, sondern ruf nach deiner Fokuszeit zurück! Nach einigen Wochen ist es selbstverständlich und die Menschen werden von ganz allein nur noch außerhalb der Fokuszeiten stören. Eine feste Fokuszeit hat den unschätzbaren Vorteil, dass alle Parteien (auch du) zuverlässig planen können. Aber in manchen Berufen (oder bei kleinen Kindern) ist das Konzept nicht umsetzbar.

Dann kannst du mit dem Fokus-Symbol arbeiten. Ich empfehle eine Quietscheente (Lass die Kinder einfach mit aussuchen, welche ihr dafür kauft, das erhöht von vornherein die Akzeptanz und vielleicht bekommen die Knirpse ja auch eine Quietscheente, um anzuzeigen, wenn SIE nicht gestört werden wollen?). Du kannst aber natürlich auch jeden anderen Gegenstand benutzen. Wichtig ist nur, dass es

  1. immer derselbe Gegenstand ist
  2. etwas ist, das groß oder auffällig genug ist, dass alle Beteiligten es auch von Weitem sofort wahrnehmen.

Diesen Gegenstand stellst du immer dann auf deinen Schreibtisch oder vor deine geschlossene Bürotür, wenn du konzentriert arbeitest. Das ist das Signal für alle, dass du nicht gestört werden möchtest.

Alternativ kannst du auch mit einem Türschild arbeiten. Je nachdem, ob deine Kinder schon lesen können oder nicht, musst du aber das Motiv für „nicht stören“ einprägsam genug wählen. Ich habe zwar keine Kinder, aber wenn ich zum Beispiel Podcasts aufnehme, ist es nervig, wenn mein Mann gerade dann ins Büro poltert (und für ihn ist es auch blöd, wenn er dann immer angemault wird). Deshalb haben wir dieses Türschild mit zwei Seiten im Einsatz (Und mein Mann achtet da genau drauf, während ich das schon das ein oder andere Mal vergessen habe 😉):

Das ist die härteste Nuss. Vielleicht kennst du das auch gar nicht, dann herzlichen Glückwunsch. Aber mir geht es häufiger so, dass ich mich selbst ständig unterbreche. Ganz besonders anfällig bin ich dafür, wenn es um mich herum zu still ist. In absoluter Stille haben meine rasenden Gedanken (und vor allem der Ideengenerator in meinem Kopf) viel Raum, sich lautstark in Erinnerung zu bringen. Ich will arbeiten und muss stattdessen ständig unterbrechen, um die neue Idee aufzuschreiben, denn das könnte ja der neue, heiße Sch… na, du weißt schon… sein. Den darf man also nicht vergessen. Hier musst du erstmal auf Ursachensuche gehen.

Wenn bei dir auch die Stille das Problem ist, arbeite mit Geräuschen (Konzentrationsmusik, Binaural Beats, White Noise, ASMR oder Ambience Videos). Kopfhörer auf (im optimalen Fall zusätzlich mit Active Noise Cancelling), Geräusche an und los geht’s. Bei mir funktioniert das inzwischen fast schon wie ein Trigger: Wenn mir diese Geräusche ins Ohr gehen, bin ich innerhalb von Sekunden im konzentrierten Arbeitsmodus. Das ist sensationell, weil mich das Anfangen so kaum mehr Mühe kostet.

Wenn du dich selbst ablenkst, die Stille aber nicht das Problem ist: Finde heraus, woran es bei dir liegt und probier ein bisschen herum (oder schreib mir, dann überlege ich mit!), um deine eigene Lösung zu finden.

Die Königsdiszplin! Wie kann dir jemand einen Vorwurf machen, wenn du die Steuerklärung, die Wäsche und den Abwasch gemacht hast (statt der Präsentation)? Gerade im Homeoffice bieten sich so viele Ecken, die endlich mal aufgeräumt oder geputzt oder ausgemistet oder umorganisiert werden müssten. Endlose Möglichkeiten, produktiv zu prokrastinieren!

Hier hilft nur schonungslose Ehrlichkeit: Ist das, was du gerade tun willst, wirklich so dringend, dass es JETZT, in dieser Minute, absoluten Vorrang vor allem anderen auf deiner To-Do-Liste hat? Wenn ja: Tu es, denn dann ist es keine Prokrastination, wenn du es einschiebst. Wenn nein (und das wird wohl der häufigere Fall sein): Lass die Finger davon, solange die Prio-Aufgaben auf deiner Liste nicht abgearbeitet sind!

Wenn du die Unordnung im Wohnzimmer nicht ausblenden kannst, such dir einen anderen Ort zum Arbeiten, an dem es weniger gibt, was dich stört (und wenn das die Garage ist). Oder dreh dich so, dass du zur Wand schaust, das Chaos also im Rücken hast und es nicht jedes Mal siehst, wenn du aufblickst. Oder delegier, was du gar nicht mehr erträgst, an die Familie (oder Kollegen, wenn du an der Arbeit bestimmte Aufgaben erledigst, weil du es nicht mehr aushältst, das sie liegen bleiben, obwohl du eigentlich gerade etwas ganz anderes tun solltest.

Habe ich noch einen ganz wichtigen Störenfried vergessen? Erzähl es mir – hier in den Kommentaren oder auf Instagram!