Die 5-Sekunden-Regel

Von 5 rückwärts zählen und dann sofort loslegen. Das ist die 5-Sekunden-Regel. Sie soll dir helfen, unangenehme Aufgaben anzugehen. Kann das wirklich klappen?

Ja ja, es gibt auch noch eine andere 5-Sekunden-Regel („Was weniger als 5 Sekunden auf dem Boden lag, kannst du noch essen.“). Und – soviel vorweg – für mich klappt diese wesentlich besser als die, die ich dir heute vorstellen will ;-). Aber Menschen sind ja bekanntermaßen unterschiedlich und vielleicht ist die 5-Sekunden-Regel der Amerikanerin Mel Robbins genau der Impuls, den du gerade brauchst.

Die 5-Sekunden-Regel kurz erklärt:

Sobald du den Impuls verspürst, eine unangenehme Aufgabe anzugehen, zählst du aktiv von 5 rückwärts – und setzt den Impuls dann sofort in die Tat um. That’s it! Durch den Countdown sollst du gar nicht erst dazu kommen, dir Ausreden und Ausflüchte einfallen zu lassen.

Impulse sind auch das perfekte Stichwort, denn genau darum geht es: Die Regel will Impulse verstärken und dich dabei unterstützen, unangenehme Dinge wirklich anzugehen. Wie kann das aussehen?

Wie funktioniert die 5-Sekunden-Regel?

Stell dir folgende Situation vor: Du willst deinen Chef um eine Gehaltserhöhung bitten. Seit Wochen hast du dich vorbereitet, Argumente gesammelt, Gesprächsverläufe geübt. Aber du traust dich einfach nicht, ihn anzusprechen. Und in einer Videokonferenz mit allen anderen Kollegen schon gar nicht. Doch jetzt seid ihr für ein wichtiges Meeting mit einem Kunden im Büro. Du beobachtest, wie dein Chef den Kunden verabschiedet, während du an deinem Schreibtisch deine Tasche packst. Du hast plötzlich das Gefühl „Jetzt oder nie!“. Niemand sonst ist da, der Kunde auch gleich weg, das Gespräch lief gut, der Chef hat gute Laune. Die perfekte Gelegenheit, um ein Gespräch für Gehaltsverhandlung zu erbitten. „Jetzt oder nie!“ ist dein Impuls. Das Problem: Wenn wir anfangen, Impulse zu analysieren, vergeht die Gelegenheit, wir finden jede Menge Gegenargument und trauen uns letztlich doch nicht. Das will die 5-Sekunden-Regel verhindern.

Und das geht so: In dem Moment, in dem du „Jetzt oder nie!“ denkst, zählst du in Gedanken aktiv von 5 rückwärts. Bei „1“ gehst du in den Gang und sprichst deinen Chef an. Ist der Kunde noch da vielleicht einfach nur mit: „Entschuldigung, haben Sie im Anschluss noch eine Minute für mich?“ Ist der Kunde schon weg, sprichst du direkt dein Anliegen an: „Ich würde gern einen Termin mit Ihnen vereinbaren, um über eine Gehaltserhöhung zu sprechen. Wann passt es Ihnen denn in den nächsten beiden Wochen?“

Die 5-Sekunden-Regel ist also nicht dazu gedacht, aufwendige Aufgaben endlich in Angriff zu nehmen. Sie soll Impulse verstärken und verhindern, dass du dir Ausreden einfallen lässt, statt dem Impuls zu folgen.

Warum ist die 5-Sekunden-Regel nichts für mich?

Für mich sind 5 Sekunden allerdings viel zu lang, um dieses Ziel zu erreichen. In 5 Sekunden kann ich mir detaillierteste Schreckensszenarien für den schlimmstmöglichen Ausgang ausdenken. Ja, auch während ich im Kopf aktiv von 5 rückwärts zähle! Ich bin zwar von Natur aus optimistisch, aber in Sachen „Was wird der andere von mir denken?“ bin ich ein Vollprofi-Pessimist.

Deshalb habe ich die 5-Sekunden-Regel einmal bei etwas Harmlosem getestet, nämlich beim Sport. Ich mache Sport in Wellen (in, nicht auf!): auf „voll motiviert 3- bis 4-mal pro Woche“ folgt „extreme couching mit Null Bewegungsmotivation.“ In einer der letzten Couching-Phasen habe ich es mit der 5-Sekunden-Regel probiert, wann immer ich einen „Sport wäre jetzt gut“-Moment hatte. Aus zwei Gründen war das durchschlagend erfolglos:

  • In diesen 5 Sekunden fielen mir ungeheuer viele andere Dinge ein, die jetzt auch gut (und viel bequemer) wären.
  • Es war kein intrinsischer Impuls, sondern eben ein „wäre gut“-Moment. Konjunktiv. Von außen und/oder meiner Vernunft gesteuert. Ich glaube, dass die 5-Sekunden-Regel dafür grundsätzlich nicht geeignet ist. Einen „Jetzt oder nie!“-Moment hatte ich noch nicht, seit ich die 5-Sekunden-Regel kenne. Vielleicht gebe ich ihr beim nächsten noch mal eine Chance, aber für den Moment ist sie bei mir eher durchgefallen.

Nachtrag: So ein bisschen funktioniert sie doch – auch bei mir

Diese 5-Sekunden-Regel hat mich nicht losgelassen. Warum sind so viele Menschen so begeistert, wenn ich das als völlig unnütz empfinde? Ich habe dieses Wochenende also noch mal ein bisschen experiment und festgestellt: Doch, die 5-Sekunden-Regel funktioniert tatsächlich auch für mich. Ich hatte sie nur falsch verstanden oder viel mehr: Ich hatte falsch verstanden, was ein Impuls ist.

Meine Erkenntnis: Die Regel funktioniert, wenn du etwas tun WILLST, dich aber nicht aufraffen kannst oder ins Zweifeln kommst. Sie funktioniert nicht, wenn du etwas tun SOLLTEST. Ich hatte dieses Wochenende ein paar Aufgaben auf meiner Liste, die ich nicht gerade mag (Kleiderschrank ausmisten, aufräumen, Toilette putzen), die ich aber erledigen WOLLTE – einmal, um sie endlich weg zu haben und zum anderen, weil ich das Ergebnis mag.

Gewöhnlich debattiere ich dann den halben Samstag oder Sonntag mit mir, bis ich abends endlich mal anfange. Dieses Wochenende nicht. Die 5-Sekunden angewandt, als erstmals am Tag der Gedanke aufkam und schwupps: Ein paar Stunden später war viel mehr vom Kleiderschrank ausgemistet, als ich geplant hatte. Und genauso lief das mit dem Putzen, Aufräumen und sogar mit meiner Ablage, in der ich noch Dokumente von 2017 (!) gefunden und nun abgeheftet habe.

Hast du die 5-Sekunden-Regel schon mal ausprobiert? Warst du damit erfolgreich? Erzähl mir doch davon! Ich würde mich über andere Erfahrungen wirklich sehr freuen.