Zeit für Gefühle

Wann hast du dir zuletzt bewusst Zeit für Gefühle genommen? Zeit, um in dich hinein zu hören und zu spüren, was du eigentlich gerade empfindest? Wie es dir geht? Was du brauchst? Welche Emotionen in dir sind? Dieser Blogpost ist deine Chance, das nachzuholen.

Eigentlich sollte hier heute ein Blogpost über Motivation und Disziplin stehen. Aber mir geht es nicht gut. Mein Leben dreht sich gerade um 180 Grad und das ist schmerzhaft. Ich brauche Zeit, um mich zu sortieren und zum ersten Mal in meinem Leben nehme ich mir auch bewusst Zeit, alle Gefühle, die da gerade sind, zu spüren und auszuleben.

Das ist sehr hart. Aber es ist das, was ich dir heute mitgeben will: Deine Gefühle zu ignorieren, schneidet dich von dir selbst ab (auch wenn es sich zunächst leichter anfühlt). Deine Gefühle zu unterdrücken, weil du „erstmal Wichtigeres“ erledigen willst, macht dich auf lange Sicht krank.

Deshalb wird dieser Blogpost ein sehr persönlicher. Ich erzähle dir meine Geschichte und hoffe, dass du danach auch den Mut findest, deine Gefühle zu fühlen. Auch wenn es beängstigend ist und saumäßig weh tut. Du bist stark. Du kannst das aushalten. Und letztlich sorgen deine gefühlten Gefühle dafür, dass du in dir selbst die Kraft findest, allen Widrigkeiten zu trotzen.

Vollständig kontrolliert – bis zum Burn out

Ich war immer sehr stolz darauf, in jeder Situation die absolute Kontrolle zu haben – vor allem über mich selbst. Ich weinte nie vor anderen Menschen – mit einigen, ganz wenigen Ausnahmen. Ich wurde nie laut. Ich wurde nie wütend. Und das meine ich so: Ich WURDE nicht wütend. Davon war ich überzeugt. Heute weiß ich, dass ich natürlich genauso wütend oder traurig oder frustriert werde wie andere Menschen. Aber ich hatte meine Gefühle – vor allem die negativen – schon so lange unterdrückt, um die Kontrolle zu behalten, dass ich sie gar nicht mehr spürte. Mein Hirn und mein Körper stampften die schon so früh in ihrer Entstehung irgendwo in die tiefsten Tiefen, dass ich gar nicht gemerkt habe, das sie da sind.

Was ich also für Kontrolle hielt, war eigentlich emotionale Amputation. Natürlich war mein Leben so ruhiger. Ich hatte jederzeit alles im Griff. Mir konnte nichts passieren. Aber jede Medaille hat zwei Seiten: Indem ich negative Gefühle so radikal unterdrückt habe, habe ich auch die positiven nur gedämpft gespürt – und vor allem konnte ich sie nur tröpfchenweise zeigen. Gleichzeitig hatten die unterdrückten Gefühle in mir kein Ventil. Ich hab sie zwar nicht bewusst gespürt, aber sie waren da. Und sie haben sich ihren Weg gesucht. Drei Burnouts (dank toller Therapeuten immer nur in den ersten Stufen), Dauerkopfschmerzen, Migräne, Magen-Darm-Probleme waren die Folge. Nicht alles davon ist psychosomatisch. Aber dass es nie besser, sondern über die Jahre immer schlimmer wurde, hat durchaus mit meiner psychischen Verfassung zu tun.

Wer nicht fühlt, lässt auch keine echte Nähe zu

Und da ich ja immer die Kontrolle haben, nie schwach erscheinen wollte, habe ich kaum darüber geredet. Mit der Frage „Wie geht es dir?“ kann ich bis heute nicht gut umgehen, weil ich nie weiß, was ich darauf antworten soll. Durch diese Abschottung habe ich es Menschen sehr schwer gemacht, mir wirklich nahe zu kommen. Und das ist vielleicht die schmerzlichste Erkenntnis.

Doch solange wir leben, können wir die Dinge ändern. Ich hab gerade sehr harte Entscheidungen getroffen, die mein Leben in den nächsten Monaten komplett umkrempeln werden. Und ich habe entschieden, meinen wirklich engen Freunden gegenüber offen zu sein. Anzurufen, wenn ich mich einsam fühle (Habe ich nie gemacht, denn ich hätte ja stören können). Weinen, wenn mich die Trauer übermannt (Das wird eine Menge Überwindung kosten). Nicht mehr so tun, als wäre ich ohne Zweifel und hätte alles im Griff, wenn es innerlich ganz anders aussieht. Verabredungen absagen, wenn ich Ruhe statt Gesellschaft brauche.

Und ich werde anders mit mir selbst reden, wenn Traurigkeit, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit auftauchen. Nicht mehr: „Reiß dich zusammen!“, sondern: „Du bist nicht allein. Es tut jetzt weh, aber wir schaffen das und es wird wieder besser.“ Ich versuche, diese harten Veränderungen als Chance zu sehen, nicht nur im Außen, sondern auch in mir drin die Weichen neu zu stellen. Denn ich glaube fest daran, dass alles im Leben einen Sinn hat. Dass alle Erfahrungen, die wir machen, dazu da sind, zu lernen und zu wachsen. Aber dafür müssen wir uns die Zeit nehmen, sie auch wirklich wahrzunehmen – mit allen Facetten.

Und deshalb ist mein Zeitmanagement in den nächsten Wochen und Monaten dazu da, mir diese Zeit zu verschaffen – und nicht dazu, mich noch produktiver und noch effizienter zu machen. Dein Zeitmanagement ist das, was du draus machst. Und du machst daraus, was du gerade brauchst. Vergiss das nicht!