Zeigarnik-Effekt oder warum du alles aufschreiben solltest

Aufgaben, Termine, Ideen: Schreib alles auf! Immer. Verschieb es nicht auf später. Versuch nicht, dir alles zu merken. Schreib es auf!  Nicht nur, damit du es nicht vergisst, sondern vor allem, um deinen Kopf zu entlasten. Der merkt sich unvollendete Aufgaben nämlich viel besser als abgeschlossene. Das ist der Zeigarnik-Effekt.

Was haben ein Kellner und dein Zeitmanagement miteinander zu tun? Na ja, der Kellner war das Studienobjekt der russischen Psychologin Bljuma Wulfowna Zeigarnik, die an ihm den Zeigarnik-Effekt beobachtete. Und der besagt, dass wir uns unvollendete Aufgaben viel besser merken als beendete. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass du nicht zur Ruhe kommen oder dich konzentrieren kannst, wenn du zu viele offene Aufgaben im Hinterkopf hast. Und deshalb werde ich nicht müde, meine wichtigste Regel zu wiederholen: SCHREIB ALLES AUF!

Zugegeben, der Zeigarnik-Effekt ist heute mehr als umstritten, weil die Ergebnisse der Ursprungsstudie nicht reproduziert werden konnten. Meine Erfahrung bestätigt aber den Grundgedanken.

Zeigarnik: Studie mit Kellnern

Bljuma Wulfowna Zeigarnik beobachtete in den 1920er Jahren in einem Café, wie die Kellner arbeiteten. Ihr fiel auf, dass sie die Bestellungen alle im Kopf behielten, sie also korrekt ausführen konnten, ohne sie aufzuschreiben. Aber sobald sie Essen und Getränke an die Tische gebracht hatten, konnten sie sich wenige Minuten später nicht mehr erinnern, was diese Gäste bestellt hatten. Zeigarnik schloss daraus, dass unser Gehirn für unvollendete Aufgaben eine Art Grundspannung aufbaut, die dafür sorgt, dass Information leichter aufgenommen wird und schnell abgerufen werden kann.

Ziegarnik bestätigte dieses Ergebnis in einer späteren Studie an einer Universität. Andere Forscher konnten diese Forschung allerdings nicht reproduzieren und widerlegten Zigarniks Ergebnisse teilweise sogar.

Praxistipps gegen den Zeigarnik-Effekt: Schreib alles auf!

Ich weiß, es klingt banal und sehr einfach: Alles aufschreiben, damit du den Kopf frei hast, um konzentriert an einer Aufgabe zu arbeiten oder wirklich zu entspannen. Und schon hast du den Zeigarnik-Effekt ausgetrickst. In der Praxis gestaltet sich das aber für die meisten von uns schwieriger als gedacht. Ich habe die häufigsten Probleme – und ihre Lösungen – hier für dich zusammengefasst:

Was, wenn ich gerade unterwegs bin?

Es ist ein Teufelskreis. Wann haben wir die besten Ideen? Im Auto! (Oder unter der Dusche, aber das zählt jetzt mal nicht.) Und wann ist der schlechteste Zeitpunkt, um irgendwas aufzuschreiben? Richtig, wenn wir Auto fahren. Ich bin ehrlich zu dir: Ich habe noch keine perfekte Lösung für dieses Problem gefunden. Aber zumindest eine halbperfekte.

Ich fände eine Notierfunktion per Sprachbefehl fantastisch. Gibt es. Scheitert im Moment aber entweder daran, dass:

  1. sich die Sprachfunktion wieder abschaltet, wenn ich kurz nachdenke und ich dann wieder von vorn beginnen muss oder
  2. mein Handy die Notiz irgendwo speichert, wo ich sie nie wieder finde.

Punkt a) wird wohl ein Problem bleiben. Die Diktiergerät-App auf meinem Smartphone und Google Assistent sind nämlich nur so semi-kompatibel. Wir arbeiten noch daran.

Für kurze Notizen habe ich aber einen Workaround für gefunden, der funktioniert: Ich habe im Google Assistent einen Kurzbefehl „Neue Audioaufnahme“ für Google Keeps eingerichtet. Will ich im Auto also schnell eine Idee oder eine Aufgabe in einem kurzen Stichpunkt notieren, sage ich: „OK Google, neue Audioaufnahme“, warte den Signalton ab, spreche meine Notiz ein und weiß dann ganz genau, wo ich sie wiederfinde – nämlich eben in Google Keeps. Und dort finde ich nicht nur die Audiodatei, sondern auch die Transkription. Diese App verwandelt Sprache nämlich automatisch in Text und das auch noch ziemlich zuverlässig.

Ich bin ganz sicher, dass es etwas Vergleichbares auch für Apple gibt. Das ist aber nicht mein Universum, da kann ich dir also keine Tipps geben.

Was, wenn ich gerade mitten in einer Aufgabe bin?

Ich höre dich schon einwerfen: „Aber du sagst doch immer, ich soll mich beim Arbeiten nicht ablenken lassen. Was also, wenn mir mitten in einer Aufgabe etwas einfällt, das ich eigentlich aufschreiben müsste?“

Die einfache Antwort lautet: Schreib es auf! Sofort.

Aber ich erkläre dir auch, warum ich das nicht für einen Widerspruch halte: Es ist eine Frage deines Setups. Nehmen wir an, du arbeitest und verfolgst dabei die Empty-Desk-Philosophie rigoros, hast also nichts auf dem Tisch, das nicht zu deiner Aufgabe gehört. Wenn dir jetzt etwas einfällt, bekommst du vermutlich ein Problem. Du musst erst nach einem leeren Blatt und einem Stift suchen oder dein Notizbuch an der richtigen Seite aufschlagen oder dein Handy holen und deine App öffnen. Wenn du so weit bist, dass du die kurze Notiz aufschreiben kannst, hast du keine Chance mehr, direkt in die Aufgabe zurückzufinden, mit der du gerade beschäftigt warst.

Aber das Problem lässt sich leicht lösen: Sorg dafür, dass du IMMER einen Schmierzettel und einen schreibfähigen Stift auf deinem Tisch liegen hast. Kommt dir jetzt während der Arbeit eine Idee, kannst du sie unmittelbar aufschreiben und wirst allenfalls 10 Sekunden aus deiner Aufgabe gerissen. So kurze Unterbrechungen verkraftet dein Gehirn normalerweise, ohne den Fokus zu verlieren.

Ich schreibe so viel auf, dass ich den Überblick verliere. Was tun?

Wenn du bisher alles im Kopf hattest und nun beginnst, jede Aufgabe, jede Idee und jedes Projekt aufzuschreiben, ist es oft, als ob sich eine Schleuse öffnet. Du wirst erstaunt sein, was da alles aus deinem Kopf purzelt. Wenn du nun alles auf derselben Liste sammelst, verlierst du sehr schnell den Überblick.

Aber auch dafür gibt es eine einfache Lösung: Leg verschiedene Listen an. Während du arbeitest, schreibst du alles auf deinen Schmierzettel, aber der wird jeden Tag gegen einen neuen ausgetauscht. Am Abend überträgst du die Notizen darauf in deine App oder dein Notizbuch und dort kannst du deine Listen aufteilen: Du kannst Listen mit Aufgaben machen, Listen mit Ideen (Irgendwann-Liste), Projektlisten oder auch Mindmaps. Alternativ kannst du auch nach Themen (eine Liste für Privat, eine für dein Hobby, eine für Job usw.) oder nach Rahmenbedingungen clustern (unterwegs, wenn ich warte, im Büro,…).

Wenn du noch immer alles in deinem Kopf jonglierst, versuch es doch mal einen Monat mit dem Aufschreiben. Selbst wenn du gut klarkommst mit deiner Methode, wird es dir (nach einer beängstigenden Anfangsphase 😉) das Leben leichter machen.

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