Aufgaben richtig priorisieren

Aufgaben richtig priorisieren

Wer Schwierigkeiten hat, seine Aufgaben zu priorisieren, nutzt vielleicht die falschen Kategorien. Wir schauen uns heute an, wie du künftig schnell und sicher entscheidest, welche Aufgabe Vorrang hat. Und damit Stress und schlechtem Gewissen endgültig den Gar aus machst.

Lass uns mit einem kleinen Experiment in dieses Thema starten: Ich lese dir gleich ein paar Aufgaben vor und du musst aus dem Stand heraus entscheiden, mit welcher du anfangen würdest.

  1. Geschirr abwaschen
  2. Steuererklärung fertig machen
  3. Geliehene Bücher zurückbringen
  4. Aufgabe für die Kollegin erledigen, die du zugesagt hast

Und, wofür entscheidest du dich? Merk dir das mal. Ich komme später noch mal auf dieses Experiment zurück.

Was bedeutet „priorisieren?“

Lass uns vorher mal kurz die Grundlagen klären. Was heißt eigentlich Prioritäten setzen? Was bedeutet es für eine Aufgabe auf deiner endlos langen To-Do-Liste, wenn sie Priorität hat?

Spontan würden die meisten Menschen vermutlich antworten, dass Prioritäten die Wichtigkeit festlegen. Die Aufgabe, die also Prio Nummer eins hat, ist die wichtigste. Nach Wichtigkeit zu priorisieren, ist allerdings die Königsklasse, denn da stecken eine Menge Stolpersteine drin. Deshalb kommen wir dazu erst zum Schluss. Das Kriterium „wichtig“ ist jedenfalls nur eine mögliche Definition von Priorität.

Ganz grundsätzlich gilt in Sachen Zeitmanagement: Was Priorität hat, wird entweder zuerst erledigt oder bekommt zumindest ausreichend Zeit im Tag. Wir planen also alles andere so, dass die Prioritäten sicher abgehakt werden können.

So und jetzt würde ich dich zu gern vor mir sehen, um dich zu fragen, wie oft du wirklich auf diese Art bewusst planst 😉. Wenn es dir geht wie mir und den meisten anderen Menschen da draußen, denkst du selten bis nie bewusst darüber nach, wann und wie lange du Zeit für eine einzelne Aufgabe freihältst. Die meisten von uns hetzen einfach von To-Do-Listen-Punkt zu To-Do-Listen-Punkt. Keine Zeit zum Nachdenken, also auch keine Zeit zum Priorisieren. Und da liegt das Problem.

Wenn du auf diese Weise durch den Tag hetzt, hast du immer Stress – und in den meisten Fällen am Ende des Tages ein schlechtes Gewissen, weil irgendwas auf der Strecke geblieben ist, von dem dein Gefühl dir sagt, dass du es hättest erledigen müssen.

Das ist ab heute vorbei! Denn gleich erkläre ich dir, wie auch du ganz leicht Prioritäten setzen kannst. Und das bedeutet im Wesentlichen: bewusst entscheiden, was du machen wirst. Und es begründen zu können. Denn wenn du deine Entscheidung für die eine und gegen eine andere Aufgabe vor dir selbst begründen kannst, hört auch das Aufgaben-Flipping auf, dass das Arbeiten für dein Gehirn so anstrengend macht. Du wechselst dann nicht mehr sprunghaft von einer Aufgabe zur anderen, weil du dich nicht entscheiden kannst, welche nun Priorität hat.

Die richtigen Kategorien finden, um zu priorisieren

Ja, die üblichen Kategorien „wichtig“ und „dringend“ sind eine Möglichkeit, zu entscheiden, was Priorität haben sollte. Aber sehr oft sind sie nicht die besten. Einfach weil sie zu viel Interpretationsspielraum lassen. Das gilt zumindest für die Kategorie „wichtig.“

nach Dringlichkeit

Tatsächlich ist Dringlichkeit für die meisten Menschen das Haupt-Kriterium, um zu entscheiden, welche Aufgaben unbedingt erledigt werden müssen. Sogar für die, die immer alles aufschieben. Wenn es dringend wird, die Deadline also schon fast da ist, werden auch sie plötzlich aktiv. Im besten Fall auf eine positive, konzentrierte Weise. Im schlechtesten Fall panisch und unorganisiert.

Dringend ist eine Aufgabe immer dann, wenn sie an einen Termin gebunden ist und der in sehr naher Zukunft liegt. Das kann einmal eine echte Deadline sein – die Frist vom Finanzamt zur Abgabe der Steuererklärung ist zum Beispiel ziemlich sicher nicht verhandelbar. Aber es können auch selbstgesetzte Fristen oder einfache Zusagen sein. Wenn du zum Beispiel einer Kollegin versprochen hast, bis morgen ihre Präsentation gegenzulesen, dann bekommt die Aufgabe Dringlichkeit. Selbst dann, wenn sie sie eigentlich erst in zwei Wochen halten muss.

Das Problem an diesem Kriterium ist, dass du schnell die falschen Dinge zur Priorität machst. Damit du wirklich klug priorisierst, sollte Dringlichkeit nie dein Hauptkriterium sein. Bleiben wir beim Beispiel mit der Präsentation der Kollegin: Das ist dringend und weil du es für morgen zugesagt hast, stopfst du es heute noch in deinen Plan. Aber eigentlich hättest du heute auch die Bewerbung für die neue Stelle schreiben wollen, für die die Bewerbungsfrist diese Woche abläuft. Und deinem Kind hattest du versprochen, früher nach Hause zu kommen, um die Einladungen für den Kindergeburtstag am Wochenende zu basteln.

Wenn Dringlichkeit jetzt dein Hauptkriterium ist, erledigst du die Aufgabe für die Kollegin, während die Bewerbung und die Einladungskarten liegen bleiben. Aber war das wirklich die Aufgabe, für die du ganz bewusst Zeit freischaufeln würdest, wenn du die Wahl hättest? Wenn deine Antwort (hoffentlich) „Nein“ lautet, kann diese Aufgabe also nicht Prio Nummer 1 sein – auch nicht, wenn sie als einzige gerade wirklich dringend ist.

nach Konsequenz

Wenn Dringlichkeit allein also kein gutes Kriterium ist, sollten wir zusätzliche Kriterien zu Rate ziehen, um unsere Aufgaben zu priorisieren. Gut geeignet ist dafür die Konsequenz. Überleg dir, welche Aufgaben auf deiner To-Do-Liste die schwerwiegendsten Konsequenzen haben, wenn du sie nicht erledigst. Was passiert, wenn du der Kollegin sagst, du kannst die Präsentation erst in zwei Tagen prüfen? Was passiert, wenn du die Bewerbung heute nicht schreibst? Und was passiert, wenn du deinem Kind sagst, dass es morgen in der Schule keine Einladungskarten verteilen kann?

Die Antwort auf diese Fragen führt fast automatisch zu einer Priorisierung, die in der Regel viel mehr Sinn ergibt als die nur nach Dringlichkeit. Die Aufgabe, die für dich persönlich die schmerzhaftesten Konsequenzen hätte, wenn du sie nicht erledigst, ist deine Priorität für den aktuellen Tag. Ihr räumst du bewusst Zeit ein, erledigst sie, um auf Nummer sicher zu gehen, vielleicht sogar zuerst. Alles andere kommt danach.

nach Nutzen

Wenn du lieber nach Chancen suchst als an Konsequenzen denkst, kannst du auch das als Kriterium für deine Prioritäten nutzen. Überleg also, welche Aufgabe auf deinem Zettel den größten Nutzen bringt, wenn du sie heute erledigst.

Dabei lohnt es sich, den Begriff „Nutzen“ ein bisschen weiter zu fassen. Es geht nicht nur darum, was das meiste Geld bringt oder die meiste Anerkennung. Und es geht auch nicht darum, was andere nützlich finden.

Wenn für dich ein harmonisches Familienleben den höchsten Wert hat, dann wird das Schreiben der Einladungen zum Kindergeburtstag vielleicht für dich den höchsten Nutzen haben. Weil es dir erlaubt, intensiv Zeit mit deinem Kind zu verbringen und gemeinsam etwas zu tun, was ihm oder ihr Spaß macht.

Wenn du in deinem aktuellen Job todunglücklich bist oder du in einer Nische arbeitest, in der sich nicht oft neue Jobchancen auftun, ist vermutlich das Bewerbungsschreiben die Aufgabe mit dem höchsten Nutzen für dich.

Um nach Nutzen priorisieren zu können, musst du also wissen, was dir ganz persönlich gerade am wichtigsten ist im Leben.

nach Dauer

Eine weitere mögliche Kategorie, um Aufgaben zu priorisieren, ist die Dauer einer Aufgabe. Das ist eine relativ einfache Art, Prioritäten festzulegen – vor allem, wenn dein Tag sehr fremdbestimmt und deine Aufgabenliste zu lang ist, wenn du also viele Meetings hast, viele Menschen etwas von dir wollen und alle ihre eigenen Sachen für wahnsinnig wichtig halten.

In dem Fall kannst du sehr pragmatisch nach der Bearbeitungsdauer Prioritäten setzen. Jede Aufgabe auf deinem Zettel bekommt eine Schätzung, wie du lang du dafür brauchen wirst. Nun schaust du dir an, wie viel Zeit du aktuell hast – zum Beispiel bis zum nächsten Meeting. Alle Aufgaben, die länger dauern werden, fallen zumindest für den Moment raus. Damit ist deine To-Do-Liste automatisch übersichtlicher und das ist der erste Schritt zu einer besseren Organisation.

Unter den Aufgaben, die du in dieser Zeit schaffen kannst, legst du jetzt fest, was die höchste Priorität hat. Dafür kannst du zusätzliche Kriterien wie die Dringlichkeit oder die Konsequenzen heranziehen.

nach Lust

Meine liebste Kategorie für das Priorisieren meiner Aufgaben ist aber weder Konsequenz noch Nutzen oder Dauer. Meine liebste Kategorie ist Lust. Und es macht mich richtig sauer, wenn Menschen mir einreden wollen, dass Erwachsene nicht nach Lust entscheiden, was sie machen. Dass wir so einen Blödsinn glauben, ist mit ein Grund, warum viele von uns so überlastet und überfordert sind.

Versteh mich nicht falsch: Natürlich müssen wir als Erwachsene auch die Dinge tun, die uns keinen Spaß machen. Und übrigens, wenn du mal darüber nachdenkst, wird dir auffallen, dass Kinder das auch schon müssen. Aber wer hat festgelegt, dass Arbeit keinen Spaß machen darf? Wer hat entschieden, dass es nur dann ernsthafte Arbeit ist, wenn wir schimpfen, meckern und leiden können?

Ich finde das absurd. Statistisch gesehen verbringe ich den größten Teil meines Lebens schlafend oder arbeitend. Auf das, was im Schlaf passiert, habe ich nicht so viel Einfluss. Aber wie es mir geht, wenn ich arbeite, kann und will ich mitbestimmen. Deshalb sorge ich dafür, dass ich jeden Tag mindestens eine, meistens bis zu drei Aufgaben auf dem Zettel habe, auf die ich Lust habe, die mir Spaß machen.

Und für die räume ich immer Zeit frei in meinem Tag – und wenn es Mitternacht wird. Das sind meine Belohnungs- und Motivationsaufgaben. Und die haben auch deshalb Priorität, weil sie mich bei der Stange halten und dafür sorgen, dass ich auch viel mehr von den Muss- und Müsste-Aufgaben erledige.

Priorisieren nach Wichtigkeit

So und jetzt kommen wir zu der Kategorie, die in fast allen Ratgebern zur Priorisierung empfohlen wird – und mit der in der Praxis fast niemand richtig umgehen kann. Die Wichtigkeit. Einer häufig zitierten Matrix zufolge, von der du ja schon weißt, dass ich sie nicht mag, haben Aufgaben dann die höchste Priorität, wenn sie sowohl dringend als auch wichtig sind.

Klingt in der Theorie absolut logisch, scheitert in der Praxis aber daran, dass niemand weiß, was mit „wichtig“ eigentlich gemeint ist. Wenn Eisenhower entscheiden musste, ob und wie man den Koreakrieg beenden wolle, dann war das gewiss wichtig. Aber vor einer solchen Aufgabe wirst du vermutlich nicht allzu bald stehen.

Nehmen wir also mal die vier Aufgaben aus unserem Beispiel vom Anfang. Du weißt schon, die bei denen ich dich gefragt habe, womit du spontan anfangen würdest. Zur Erinnerung, es ging um folgende Aufgaben:

  1. Geschirr abwaschen
  2. Steuererklärung fertig machen
  3. Geliehene Bücher zurückbringen
  4. Aufgabe für die Kollegin erledigen, die du zugesagt hast

Wenn du nur nach der Kategorie „wichtig“ priorisieren müsste, welche Aufgabe wäre dann die wichtigste?

Wir haben aktuell März. Die Steuererklärungen werden für Privatpersonen erst am 30. September oder sogar erst am 31. Dezember fällig – je nachdem, ob du eine freiwillige Steuererklärung machst oder verpflichtet bist. Trotzdem: Steuer ist wichtig und bringt manchmal sogar Geld. Die Steuererklärung ist also eine wichtige Aufgabe, oder? Vielleicht musst du aber gar keine Steuererklärung abgeben und willst dir den Stress auch nicht antun – egal, ob du Geld zurück bekämst oder nicht. Also doch nicht wichtig?

Genauso beim Geschirr: Für deine Mutter ist es vielleicht sehr wichtig, das Geschirr nach jeder Mahlzeit abzuspülen. Für dich gilt aber möglicherweise das Motto „Solange noch ein Teller im Schrank ist, muss ich mich darum nicht kümmern.“

Du siehst also, „wichtig“ klingt zwar erstmal logisch und nach einem guten Kriterium für deine Priorisierung. Es scheitert aber oft am Detail. Um nach Wichtigkeit zu priorisieren, musst du dir klar machen, dass es darum geht, was für dich wichtig ist, was jetzt für dich wichtig ist und auch warum es für dich wichtig ist.

Sich den letzten Punkt bewusst zu machen, hilft eine weitere Falle zu umgehen: das fremdwichtig. Wenn du eine Aufgabe priorisieren willst, weil du sie wichtig findest, frag dich immer, warum du sie für wichtig hältst. Weil sie auf deine persönlichen oder beruflichen Ziele einzahlt? Weil sie Geld bringt oder spart? Oder weil der Chef sagt, dass sie wichtig ist? Beim letzten Punkt lohnt es meistens, genauer nachzufragen. Für Menschen, die Aufgaben delegieren, sind die delegierten Aufgaben immer wichtig. Fremdwichtig allein macht aber noch lange keine Priorität!

Um einzuschätzen, was nun wirklich Priorität hat, kannst du hier wieder die zusätzlichen Kriterien zu rate ziehen: Hat es negative Konsequenzen, wenn du die Aufgabe aufschiebst? Oder besonders positive, wenn du sie gleich erledigst? Ist es dringend, hängt also ein Abgabetermin daran? Oder dauert sie so lange, dass du sie dir vielleicht in kleine Stücke zerlegen und sie über einen längeren Zeitraum erledigen musst? All das können Hinweise sein, dass die Aufgabe tatsächlich eine höhere Priorität bekommen sollte. Dass jemand anders sie für „wichtig“ hält, ist aber kein Kriterium.