Bilaterale Musik: mehr Fokus und bessere Stimmung
Musik oder Geräusche allgemein können eine riesige Hilfe sein, wenn du Probleme hast, dich zu konzentrieren. Bilaterale Musik geht noch einen Schritt weiter. Sie wird auch in der Trauma-Therapie eingesetzt und hilft dir nicht nur, fokussiert zu bleiben. Sie kann sogar negative Gedankenspiralen durchbrechen und nachweislich deine Stimmung und damit auch deine Leistungsfähigkeit verbessern.
Dass ich ein großer Fan von Binaural Beats und fast jeder Art von Ambience-Geräuschen bin, dürfte sich inzwischen rumgesprochen haben. Ich gehe mit entsprechenden Empfehlungen ja schließlich jedem auf die Nerven, der lange genug zuhört ?. Aber in den letzten Monaten habe ich ein neues akustisches Hilfsmittel gefunden, dass mir in Arbeitsphasen hilft, bei der Sache zu bleiben.
Zu Erinnerung noch mal mein Problem: Ich kann in absoluter Stille nicht arbeiten, weil dann die 100 Gedanken, die mein Gehirn so in einer Minute denkt, zu laut sind. Ich lasse mich dann von mir selbst ablenken. Klingt bescheuert, ist aber ein echtes Problem für mich. Gleichzeitig kann ich nicht (mehr) nebenbei fernsehen, Podcast oder auch nur Musik mit Gesang hören. Weil ich dann so auf den Text konzentriert bin, dass ich meine Arbeit vergesse oder eine Millionen Fehler ein“arbeite“. Das ist der Tribut des Alters. Als Kind habe ich meine Hausaufgabe IMMER gemacht, während die Nachmittagsserien auf Kabel 1 liefen. Ohne Probleme.
Jedenfalls brauche ich heute also eine akustische Ablenkung, aber sie darf nicht zu sehr ablenken… Ich verdrehe gerade selbst die Augen, wenn ich diesen Satz laut sage. Aber es ist, wie es ist.
Bisher arbeite ich meistens mit Ambience-Videos (aktueller Favorit: Wellenrauschen). Binaural Beats und ASMR funktionieren momentan nicht so gut bei mir. Aber das ist auch normal. Mein Gehirn funktioniert phasenweise. Ich interessiere mich eine Zeit lang so gut wie nur für diese eine Sache – und dann von heute auf morgen gar nicht mehr dafür. Dann braucht es einen neuen Reiz und den habe ich jetzt gefunden: mit bilateraler Stimulation, bilateraler Musik, EMDR Musik oder 8D Musik. Viele große Worte, die aber alle (fast) dasselbe meinen.
Wie wirkt bilaterale Musik
Bilaterale Musik springt von einem Ohr zum anderen. Dabei gibt es Aufnahmen von Pop- und Rocksongs, die mit der gesamten musikalischen Komplexität von Ohr zu Ohr wandern. Aber es gibt auch Stücke – und das sind meine absoluten Favoriten – die einen gleichbleibenden Klangteppich haben, über dem einzelne Töne liegen, die wie ein Ping-Pong-Ball von links nach rechts gespielt werden.
Achtung: Auch wenn Youtube-Videos oft mit „8D Bilateral Music“ überschrieben sind, ist 8D-Musik noch mal einen Tick anders (und grandios). Dabei wird der Klang nicht abwechselnd einmal links, einmal rechts gespielt, sondern schwebt um dich herum. Für mich wirkt das oft, als würde der Klang vom einen Ohr zum anderen wandern. Im Gegensatz dazu wird bei klassischer bilateraler Musik der Ton eben separat einmal rechts, einmal links gespielt.
Das Ziel dieser Art von Musik: Sie soll beide Gehirnhälften gleichzeitig stimulieren und so vernetzen, also in Einklang bringen. Gleichzeitig löst der ständig wechselnde Reiz durch den wechselnden Ton den sogenannten Orientierungsreflex aus. Sehr stark vereinfacht: Neue Töne lösen im Gehirn erstmal Alarm aus. Es konzentriert sich sofort darauf, herauszufinden, ob der Ton ein Alarmsignal ist oder nicht. Weil der Ton bei den bilateralen Musikstücken rhythmisch wechselt, fragt sich das Gehirn jedes Mal neu, ob Gefahr droht oder nicht. Auf diese Weise kann bilaterale Musik Grübeleien und negative Gedankenschleifen durchbrechen.
Diese doppelte Wirkung wird sogar in der Trauma-Therapie genutzt, genauer im EMDR-Verfahren. EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Sehr grob übersetzt also die Verarbeitung und Desensibilisierung durch Augenbewegung.
Das kennst du schon, nämlich vom Schlafen. Da gibt es den REM-Schlaf, die Schlafphase, in der sich deine Augen sehr schnell von links nach rechts und zurück bewegen. In dieser Schlafphase verarbeiten wir die Erlebnisse des Tages. Das ist also dasselbe System.
In der EMDR-Therapie geht es immer um die Stimulation beider Hirnhälften – dabei ist Musik, also die bilaterale Musik, nur eine Möglichkeit. Auch die Augenbewegung wie beim REM-Schlaf oder auch das Tappen mit den Händen auf Brust oder Oberschenkeln dient demselben Ziel. Traumatische Erlebnisse werden noch mal erinnert und gleichzeitig sorgt die bilaterale Stimulation des Gehirns sozusagen für eine Ablenkung. Und bei allen Fachleuten da draußen entschuldige ich mich jetzt kurz für die sehr, sehr laienhafte Darstellung der Zusammenhänge.
Aber, und das ist mir wichtig: Um EMDR soll es hier nicht gehen. Ich erkläre dir das nur der Vollständigkeit halber. Wenn du mit Traumata kämpfst oder unter Panik- und Angststörungen, Depressionen oder anderen psychischen Problemen leidest, hol dir bitte, bitte Hilfe bei einem professionellen Therapeuten! Denn wie alles, was direkt aufs Nervensystem wirkt, kann auch bilaterale Musik Wirkungen zeigen, die du in der Selbstanwendung nicht auffangen kannst.
Um den therapeutischen Einsatz geht es mir aber auch gar nicht. Denn dafür nutze ich selbst dieses akustische Hilfsmittel nicht.
Wie hilft bilaterale Musik?
Trotzdem profitiere ich von den oben genannten Effekten. Gerade wenn ich sehr gestresst bin, der Flipperautomat, der sich mein Gehirn nennt, mal wieder mit 5 Kugeln gleichzeitig zockt und mich meine To-Do-Liste völlig paralysiert, hilft mir bilaterale Musik.
Ich kann die Panikreaktion auf „zu viel zu tun, zu wenig Zeit, kann mich nicht entscheiden, womit ich anfangen soll“ durchbrechen – weil die Musik mich sozusagen im Moment einfängt. Wichtig ist dabei, dass ich die richtige Art von Musik wähle, aber dazu erzähle ich dir gleich mehr.
Auf mich wirkt bilaterale Musik in der Regel beruhigend. Es gibt aber auch Stücke, die mich eher antreiben. Das kann ich für mich nutzen, indem ich situationsabhängig entscheide, welche Stücke ich anhöre. Gleichzeitig bindet die Musik ohne Gesang genau das richtige Maß an Aufmerksamkeit in meinem Gehirn, um mir zu erlauben, a) eine Entscheidung zu treffen, mit welcher Aufgabe ich anfange und b) durchzuziehen, ohne mich ablenken zu lassen.
Nach einer gewissen Zeit spüre ich übrigens sogar einen körperlichen Effekt: Meine Spannungskopfschmerzen lassen nach (jedenfalls, wenn sie noch in einem Anfangsstadium sind) und auch die Schulter- und Nackenmuskulatur wird immer weicher. Diesen Effekt hat meine Recherche bestätigt, aber ob er wirklich nachweisbar ist oder eher ein Placebo-Effekt, kann ich dir nicht sagen. Ist aber auch egal, solange es funktioniert.
Und auch in Phasen, in denen der Selbstzweifel zuschlägt, nutze ich gezielt bilaterale Musik, um trotzdem mein Zeug geregelt zu bekommen. Weil es die Spirale aus „Ich kann das nicht – Ich bin nicht gut genug – Die anderen können viel mehr als ich“-Selbstgesprächen unterbricht, verhindert die Musik, dass ich in diesen Selbstzweifeln ertrinke. Ich bleibe handlungs- und entscheidungsfähig. Und nach einer Weile sorgt das und die Erfolgserlebnisse durch die Aufgaben, die ich trotz der Selbstzweifel erledigt kriege, dafür, dass sich meine Stimmung tatsächlich bessert.
Das ist nicht immer dauerhaft, aber jede halbe Stunde, in der es mir besser geht, ist ein Gewinn. Und ich kann diese halbe Stunde ja im Zweifel reproduzieren.
Wie nutzt man bilaterale Musik?
Bilaterale Musik funktioniert nur mit Kopfhörern. Es heißt zwar, wenn du mit dem Handy hörst und das Handy mit dem Lautsprecher zum Kinn unter dein Gesicht hältst, kannst du einen ähnlichen Effekt erzeugen. Aber bei mir funktioniert das überhaupt nicht.
Deshalb, für das optimale Ergebnis, nutz bilaterale Musik folgendermaßen:
- Setz Kopfhörer auf
- Wähle das richtige Musikstück (Willst du etwas mit oder ohne Gesang, soll es komplexe Musik sein oder nur einfache Geräusche, soll die gesamte Musik pendeln oder nur Teile?)
- Denk auch an die Musikfarbe, Lautstärke und Geschwindigkeit: Wähle ein Stück, dass zu deinem aktuellen Bedürfnis passt.
- Starte die Musik und nimm dir einen Augenblick, nur zuzuhören. Du kannst dabei auch die Augen schließen (und wirst vermutlich merken, dass deine Augen dann automatisch der Tonbewegung folgen). Wenn du die Musik startest und gleichzeitig direkt versuchst, zu arbeiten, kann es sein, dass du die Musik nicht als hilfreich, sondern als extrem störend empfindest. Das passiert, weil dein Gehirn sich gleichzeitig auf die Aufgabe zu konzentrieren versucht und immer wieder im Alarm-Modus den akustischen Reizen folgt (Orientierungsreflex). Gib dir und deinem Gehirn also kurz Zeit, dich an den Klang zu gewöhnen. Positiver Nebeneffekt: Du bist bereits ruhiger, wenn du schließlich mit der Arbeit beginnst.
Und zu guter Letzt, damit du Bilateral Music direkt selbst ausprobieren kannst, habe ich noch zwei, wie finde großartige, Playlisten für dich:
Ich bin sehr gespannt auf deine Erfahrungen und freue mich, wenn wir uns austauschen. Schreib mir einfach einen Kommentar oder eine Mail!
Moin Anita, wie schön, dass ich auf deinen Blog gestoßen bin! Ich bin so begeistert. Die Vorstellung der Zeitmanagement Methoden finde ich super und dass du betonst, dass es DIE passende Zeitmanagement Methode für jeden nicht gibt. Ich selbst habe mir auch meine Methode zusammengebaut und passe sie immer wieder neu an.
Und jetzt schreibst du auch noch über binaurale Musik. 🙂 Das war mich das Zeichen, den längst überfälligen begeisterten Kommentar zu schreiben. Diese Musik wende ich bei mir im Lern- und ElternCoaching sehr häufig und erfolgreich fürs Emotionscoaching an, um Blockaden wie Prüfungsangst oder Ängste aufzulösen (du hast ja auch EMDR erwähnt). Und um noch mal ein anderes Wort hineinzubringen: Denn durch die multifokale Herangehensweise (Fokus auf die Töne und auf die meist unangenehme Situation) und wenn dann noch Fähigkeiten, die man in der Situation benötigt, mit hinzugenommen werden, reduziert sich der Stresspegel enorm.
Ich nutze die Töne übrigens auch für ein Powernap und wenn ich nicht einschlafen kann – mit dem positiven Nebeneffekt, dass ich wunderbar erholt aufwache, weil ich das Gefühl habe, dass ich in meinem Kopf alles herrlich sortiert hat.
Gleichzeitig damit zu arbeiten – das habe ich noch nicht ausprobiert. Das werde ich heute gleich mal testen und hör gleich in deine Playlist. Vielen Dank für die Idee!
Liebe Trixi,
oh, wie schön, dass du dich hier wohlfühlst und noch Inspirationen mitnehmen kannst. Und danke für den Tipp: Ich habe mit dem Einschlafen oft Probleme, bin aber noch nie auf die Idee gekommen, das mal mit binaural Beats oder bilateraler Musik zu unterstützen (dabei ist das total naheliegend). Das probiere ich demnächst auch mal aus.
Liebe Grüße
Anita